„Es geht in die richtige Richtung“

Markt / 26.01.2018 • 19:20 Uhr
Bei Schoeller setzt man auf den nachwachsenden Rohstoff Wolle.

Bei Schoeller setzt man auf den nachwachsenden Rohstoff Wolle.

Schoeller-CEO Kurt Haselwander setzt auf Innovationskraft. Das freut auch Marken wie Louis Vuitton.

hard Kurt Haselwander, geschäftsführender Gesellschafter von Schoeller, spricht im Interview über Herausforderungen, Innovationsdruck und wie das Unternehmen mit intelligenten Garnen auf den Erfolgsweg zurückgekehrt ist.

 

Herr Haselwander, die Geschäfte für Schoeller laufen sehr gut, die Auftragsbücher sind voll.

Haselwander Ja, es läuft sehr gut. Wir haben Vollauslastung. Das heißt, wir fahren mit 130 Prozent und können somit nicht mehr alle Aufträge selbst bewältigen. Wir müssen also Kooperationen mit Mitbewerbern eingehen.

 

Wie reagieren Sie darauf? Werden die Kapazitäten ausgebaut?

Haselwander Wir werden die Kapazitäten in dem Sinn erweitern, in dem wir versuchen, die Maschinenlaufzeiten zu erhöhen. Sprich, auf Durchlaufbetrieb zu gehen. Das schaffen wir aktuell noch nicht. Das hängt auch mit der Personalsituation zusammen. Es ist schier unmöglich, Mitarbeiter zu bekommen. Weder hier in Österreich noch in Tschechien. Aber es ist eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Ebenso werden wir Kapazitäten fremd zukaufen. Das verschafft uns mehr Flexibilität.

 

Schoeller hat schon früh auf technische Textilien gesetzt, die auf Wolle basieren. Was sind die besonderen Eigenschaften dieses Materials?

Haselwander Wir haben gesehen, dass es den Standardbereich mit Bekleidung nicht mehr gibt. Hier war die Tendenz Richtung billig. Wir sind darum auf neue Themen umgestiegen und das heißt auf Wolle. Wir kommen aus diesem Bereich. Wolle ist aber stark nach unten gegangen, weil es ein relativ teurer Rohstoff ist und deshalb oft durch Chemiefasern kompensiert wurde. Aber die tollen Attribute der Wolle kann keine Chemiefaser in der Gesamtperformance ersetzen. Wolle wärmt und kühlt, kann Feuchtigkeit aufnehmen, stinkt nicht, kann Giftstoffe abbauen oder die Luft reinigen. Darum wird sie mittlerweile auch stark im Automobilbereich nachgefragt. Zudem ist es ein nachwachsender Rohstoff.

Heute versucht die gesamte Textilwirtschaft, auf technische Werkstoffe zu setzen. Gibt es einen Wettbewerb der Ideen oder wird es einen Verdrängungswettbewerb geben?

Haselwander Irgendwann wird der Punkt wahrscheinlich wieder kommen. Allein in der deutschen Textilwirtschaft sind 60 bis 70 Prozent technische Textilien. Wobei man aufpassen muss: Viele sprechen von technischen Textilien, aber vieles wird vermischt. Wenn wir von technischen Garnen sprechen, geht das in den Bereich Schutzbekleidung. Alles andere ist für uns Funktion. Das Interessante an unserem Geschäft ist, dass vor der Preisdiskussion vielmehr Performance, Qualität und Innovationskraft im Vordergrund stehen. Bei Militär, Feuerwehr oder Polizei muss es hinsichtlich Sicherheit und Normen einfach passen. Es gibt in dem Bereich Rohstoffe, die nur zwei Unternehmen weltweit verarbeiten dürfen. Eines davon sind wir.

 

Der Innovationsdruck ist wahrscheinlich dementsprechend hoch?

Haselwander Der Druck ist immens hoch. Wir haben Innovation und Nachhaltigkeit Gott sei Dank vor vielen Jahren zu unserem strategischen Thema gemacht. Das ist das Um und Auf.

 

Sie setzen auch wieder auf die Modebranche, aus der sich viele Textiler zurückgezogen haben. Was ist der Grund für das Revival?

Haselwander Wir setzen nicht auf diesen mittleren Bereich, der stark preisumkämpft ist und sowieso irgendwann verschwinden wird. Wo wir stark gewachsen sind, sind Luxusmarken wie Chanel und Louis Vuitton. Diese haben wir als Kunden gewonnen, weil sie gemerkt haben, da gibt es außerhalb Italiens auch noch kreative Firmen mit tollen, nachhaltigen Garnen. Wir bieten eine Qualität in 250 Farben an. Das schätzen sie unglaublich, weil Mode sehr kurzlebig ist. Zudem suchen diese Marken nach Wertigkeit und Nachhaltigkeit. Der Trend geht weg von Asien. Sie sind mittlerweile so angreifbar, dass sich hier niemand etwas erlauben darf. Vertrauen ist daher umso wichtiger.

 

Gibt es genügend Produzenten, die Ihre Anforderungen erfüllen?

Haselwander Gerade in Südamerika haben wir sehr gute Partnerschaften. Sie haben eine extreme Ausrichtung in Sachen Nachhaltigkeit. Denn sie wissen, dass das die einzige Chance ist. Wenn ich die Tierhaltung dort sehe, möchte ich gerne ein Schaf sein. Tasmanien ist ebenfalls stark. Nur in Australien haben wir reduziert. Dort gehen 80 bis 90 Prozent nach China und die Anforderungen sind nicht so hoch. Das wird sich aber ändern.

 

Sie haben 2009 das Unternehmen mit Peter Loacker und Gerhard Hübinger in einem Management-Buyout übernommen. Im Rückblick: War es eine gute Entscheidung?

Haselwander Es war eine sehr richtige Entscheidung. Ich war zuvor über 20 Jahre im Unternehmen. Gerade 2009 war das eine Herausforderung und wir hatten da bereits schwierige Jahre hinter uns. Nach dem Buyout ist es dann aber stetig in die richtige Richtung gegangen. Auch weil wir bestimmte Entscheidungen selbst treffen konnten. Als Geschäftsführer tut man sich schwerer damit, eine Strategie durchzusetzen, die statt Masse gezielt auf Qualität, Innovation und Nachhaltigkeit zielt. Jetzt ist es ein unglaublicher Boom, aber damals war kein Mensch daran interessiert.

 

Und es war in der Finanzkrise.

Haselwander Eine Bankenfinanzierung zu bekommen, war eine Herausforderung und hat nur funktioniert, weil die damalige Eigentümerfamilie mitgeholfen hat. Heute sehen wir, es geht in die richtige Richtung. Wenn man weiß, was das alles an Schweiß und Schlafmangel bedeutet, könnte man denken, es gibt auch einfachere Wege. Aber es macht viel Spaß und wahrscheinlich würde ich es also wieder tun. 

„Wenn wir freie Kapazitäten hätten, gäbe es im Automobilbereich enorm viel Potenzial.“

Kurt Haselwander übernahm Schoeller im Jahr 2009. Zuvor war er bereits über 20 Jahre im Unternehmen, zuletzt als Vorstandsvorsitzender.  VN/Paulitsch
Kurt Haselwander übernahm Schoeller im Jahr 2009. Zuvor war er bereits über 20 Jahre im Unternehmen, zuletzt als Vorstandsvorsitzender.  VN/Paulitsch

Kennzahlen

Gegründet 1867 (Management-Buyout 2009)

Gesellschafter und ­Geschäftsführer Kurt Haselwander, Gerhard Hübinger, Peter Loacker

Umsatzerwartung 2018 56 Millionen Euro

Mitarbeiter ca. 500

Standorte Hard, Kresice (Tschechien), Süssen (Deutschland)

Privat

Kurt Haselwander

Geboren 8. Februar 1959

Ausbildung HTL Textil Dornbirn (Textilingenieur)

Laufbahn Tätigkeit bei Vorarlberger Textilfirmen (Wolf, Mäser), ab 1986 bei Schoeller in verschiedensten Positionen bis zum Vorstandsvorsitzenden, Übernahme des Unternehmens

Familie verheiratet, eine Tochter (die im Unternehmen arbeitet)

“Fliegen ist meine Freizeitbeschäftigung”, lacht Kurt Haselwander. Er ist beruflich viel in der Luft, aber auch am Wochenende sitzt er im Flugzeug in seine neue Heimat Litauen, wo er verheiratet ist. In Hard schlüpft der Manager, der in dritter Generation bei Schoeller ist, oft in die Sportschuhe zum Mittagsrun am grünen Damm. “Sport ist mir extrem wichtig als Kreativitäts- und Ideeninstrumentarium”, erzählt Haselwander. Auch Motorradfahren zählt zu seinen Leidenschaften, doch die Maschine steht eher in der Garage. Und dann zählt auch noch die Musik zum Freizeitrepertoire des überzeugten Textilers (“Einmal Textiler, immer Textiler”), er hört sie nicht nur gern, er spielt auch selbst Gitarre.