“Unsere Kultur ist uns sehr wichtig”

Markt / 09.02.2018 • 20:08 Uhr
Der Neubau in Lauterach ist ein starkes Signal in Richtung Standorttreue.

Der Neubau in Lauterach ist ein starkes Signal in Richtung Standorttreue.

Für Heinz Senger-Weiss ist Wachstum an sich kein Ziel, sondern ein Resultat aus guten Dingen, die man tut.

Lauterach Heinz Senger-Weiss, Vorstandsmitglied beim Transport- und Logistikunternehmen Gebrüder Weiss, über Umbrüche, fahrerlose Lkw und wie man trotz Größe seine Unternehmenskultur bewahrt.

 

Wir leben in einer Zeit des Umbruchs. Auf welche Herausforderungen stellt sich ein Transport- und Logistikunternehmen wie Gebrüder Weiss ein?

Senger-Weiss Ich glaube, es gab auch in der Vergangenheit schon viele Herausforderungen, aber in der Wahrnehmung des Hier und Jetzt ist man immer der Meinung, aktuell gibt es die größten Herausforderungen. Auch weil man die Zukunft nicht kennt. Für uns ist vor allem die Kommunikation ein sehr großes Thema. Dabei geht es um das Zusammenführen der Warenströme, um das Verfolgen des Transportverlaufs. Nicht nur in der Zustellung von Waren an eine Einzelperson, sondern auch in den Lieferketten der verschiedensten Produktionen. Dieses Zusammenführen ist einer der enormen Umbrüche, neben den neuen Transportmitteln.

 

Stichwort neue Transportmittel: Ist der Lkw ohne Fahrer realistisch?

Senger-Weiss Ob der fahrerlose Lkw kommt, ist aus meiner Sicht eher ein rechtliches statt ein technisches Thema. Die Frage ist ja, wer ist dann verantwortlich, wenn etwas passiert? Das muss gelöst werden. Aber ich bin überzeugt, dass es in noch absehbarer Zukunft autonomes Fahren gibt.

 

Hilft eine fast 550-jährige Firmengeschichte generell, um mit Umbrüchen besser umgehen zu können?

Senger-Weiss Wenn man sich mit der Vergangenheit auseinandersetzt und sich bewusst wird, was in der Geschichte bereits an Umbrüchen passiert ist, entwickelt sich vielleicht eine gewisse Organisationsgelassenheit. Aber man darf sich nicht zu sehr darauf zurückberufen, sondern muss nach vorne schauen. Entscheidend ist, die Geschichte nicht als Bürde zu sehen, sondern als positives Element, um weiter vorwärts zu schreiten.

Ihr Unternehmen ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen. Welche Strategie steckt hinter den guten Zahlen?

Senger-Weiss Mit dem EU-Beitritt haben wir ein Drittel des Umsatzes verloren. Denn das Verzollungsgeschäft war für uns damals ein relevantes Geschäftsfeld. Das war aus unserer Sicht durchaus disruptiv. Wir haben uns aber gut darauf vorbereitet und die Rückgänge wieder aufgeholt. Vielmehr haben wir die Entwicklung als Sprungbrett genutzt, um noch stärker zu werden. Wir sind ein Unternehmen, das sich organisch entwickelt. Unsere Kultur ist uns sehr wichtig. Dass es als Gesamtes gemeinsam funktioniert. Größe an sich ist kein Ziel. Wachstum an sich ist kein Ziel, sondern ein Resultat aus guten Dingen, die wir tun. Auf dieser Basis haben wir einen klaren Zugang, wie wir gestalten. Den Menschen in den Mittelpunkt stellen, am Puls der Zeit zu sein und sich auch seiner Basis bewusst zu sein. Wir sind trotz globaler Präsenz hier ganz klar in Vorarlberg verwurzelt.

 

Gebrüder Weiss ist fast weltweit mit eigenen Niederlassungen vertreten. Gibt es Märkte, wo Sie noch stärker werden wollen?

Senger-Weiss Wir sind gut aufgestellt und es gibt weiße Flecken. Größe hat in unserem Geschäft natürlich eine gewisse Relevanz. Wir müssen eine gewisse Größe haben, um auch die Besten sein zu können. Das bedeutet auch geografisch mit einem weltweiten Zugang. Wobei unsere Entwicklung immer davon geprägt war, in Märkte zu gehen, in denen wir keine ädaquaten Partner finden. Grundsätzlich ist es unser Ziel, global mit eng integrierten Partnern zu arbeiten. Partnerschaft nicht im Sinne von Kapitalverflechtung, sondern von enger, langjähriger Zusammenarbeit. Gleichzeitig braucht es auch die Kombination mit eigenen Häusern. Für unsere Kunden ist es im Grunde nicht wirklich relevant, ob wir gewisse Warenströme über Partner oder eigene Systeme abwickeln, wenn wir die Verbindungen der Kommunikation so herstellen, als wäre es eines. Wir werden nie die ganze Welt abdecken. Das ist nicht unser Ziel, weil es uns dann schwerfallen würde, unsere Kultur zu bewahren und die zu bleiben, die wir sind.

 

Als Mitglied einer Unternehmerfamilie kennen Sie den Betrieb von klein an. Ist es so leichter, in eine Führungsaufgabe hineinzuwachsen?

Senger-Weiss Es gab immer diesen Betrieb, aber es war mir lange nicht bewusst, was für ein Unternehmen es da gibt. Meine Eltern sind in der Früh ins Büro gegangen und wieder nach Hause gekommen. Ich habe nicht meine Hausaufgaben im Geschäft gemacht. Es war also nie allbestimmend, und mit dieser Gelassenheit und Natürlichkeit sind wir aufgewachsen. Irgendwann kommt der Punkt, wo man es dann rational greift. Auch wenn es gern gesehen ist, wenn Traditionen weitergetragen werden, war aber der Raum immer gegeben und es war nie ein Druck zu verspüren, eine Rolle spielen zu müssen. Für mich persönlich war es das Wichtigste, dass die Mitarbeiter hinter uns gestanden sind. Diese Kraft spüre ich bis heute.

 

Der Gebrüder-Weiss-Vorstand setzt sich aus Familie und Externen zusammen. Ist das die ideale Mischung?

Senger-Weiss Ich glaube es gibt keine ideale Form. Es muss jeder die Form wählen, die für einen passt. Wichtig ist, dass man sehr klar in seinen Rollen ist. Wenn ich Mitglied des Vorstands bin, muss ich in dieser Rolle sein. Ganz egal ob ich Familienmitglied bin oder nicht. In dieser Rolle sind wir gleich und halten auch den Raum ein. Ich finde, man muss die besten Köpfe wählen, die verfügbar sind und die passen in der jeweiligen Zeit. Die Kombination ist für uns eine gute Konstellation und auch ein wichtiges Zeichen, dass man bis nach oben kommen kann, weil die Familie da nicht den Deckel draufmacht.

„Es ist ein stark umkämpfter Markt, ein sehr breiter Markt, ein sehr innovativer Markt.“

Heinz Senger-Weiss ist Mitglied des Vorstands bei Gebrüder Weiss. Den Druck, ins Unternehmen einzusteigen, hat er aber nie verspürt. VN/Steurer
Heinz Senger-Weiss ist Mitglied des Vorstands bei Gebrüder Weiss. Den Druck, ins Unternehmen einzusteigen, hat er aber nie verspürt. VN/Steurer

Kennzahlen

Gegründet 1474

Gesellschafter Familien Weiss und Jerie

Vorstand Wolfgang Niessner (Vorstandsvorsitzender), Peter Kloiber, Wolfram Senger-Weiss, Heinz Senger-Weiss

Umsatz 2016 1,36 Mrd. Euro

Mitarbeiter 6500 (1000 in Vbg.)

Niederlassungen weltweit über 150

Sendungen 2016 11,6 Millionen

Privat

Geboren 1. Dezember 1974

Ausbildung FH Eisenstadt, Amsterdam Hogesschool, IESE Barcelona (Advanced Management)

Laufbahn verschiedene Positionen bei Gebrüder Weiss, Leiter Business Developement in Singapur, Regional Managing Director Air & Sea, seit 2005 Vorstandsmitglied ( Air & Sea, Vertrieb und Zoll)

Familie verheiratet seit 2003, drei Kinder (zwei Mal 8 und 6 Jahre)

 

Eine strikte Trennung zwischen Beruf und privatem Leben gibt es für Heinz Senger-Weiss nicht, betont er. Er versuche zu leben, von Konzepten wie Work-Life-Balance halte er nichts. Dennoch gibt es natürlich Präferenzen in seinem Leben: „Die Familie ist mir sehr wichtig geworden, seit wir drei Kinder haben.“ Das habe das Leben des Ehepaars völlig verändert. „Disruptiv sozusagen“, beschreibt es Senger-Weiss. Der Logistik-Manager reist privat sehr gerne. Er und seine Frau interessieren sich sehr für Kunst, und auch Sport spiele eine wichtige Rolle. Dafür sei Vorarlberg wie geschaffen, schwärmt er und sagt, dass er im Winter gerne auf Skiern steht.