„Es ist leichter, Techniker zu finden“

Markt / 11.05.2018 • 18:33 Uhr
Beeindruckende Dimensionen ist man bei Bertsch gewohnt.

Beeindruckende Dimensionen ist man bei Bertsch gewohnt.

Bertsch-Energy-CEO Gernot Kranabetter über den Vorteil, wenn man nicht mehr viele Mitbewerber hat.

Bludenz Bertsch Energy in Bludenz zählt zu den führenden Unternehmen im internationalen Kraftwerksbau. Im Interview spricht CEO Gernot Kranabetter über volle Auftragsbücher, die notwendige Neuausrichtung und den Feind „Energiewende“.

 

Bertsch hat vor über 90 Jahren damit begonnen, Sennereien und Schnapsbrennereien auszustatten. Heute sind Sie immer noch in der Nahrungsmittelindustrie. Aber Sie spielen auch bei Kraftwerken in der ersten Liga mit. Wie kam es dazu?

Kranabetter Das Unternehmen kommt ursprünglich aus einer Kupferschmiede heraus. Später ist die Innovation passiert, dass diese Kessel nicht mehr über offenem Feuer betrieben, sondern doppelwandig wurden und mit Dampf beheizt wurden. Als Dampf im Spiel war, war der Weg nicht mehr weit zum Heizkessel. Bertsch hat dann jahrzehntelang Kessel in Serie gefertigt. Diese wurden immer größer. Letztlich hat man einen radikalen Wechsel gemacht, hin zu maßgeschneiderten Produkten. Dann kam die erste Biomassewelle. Die hat die Firma weitergebracht. Die Bertsch Foodtec produziert aber ihre Käsefertiger immer noch und Bertsch Laska beliefert die fleischverarbeitende Industrie. Der überwiegende Teil des Geschäfts sind aber heute die schlüsselfertigen Kraftwerke von Bertsch Energy.

 

Mit welcher Art von Kraftwerken punktet Bertsch?

Kranabetter Eines der Hauptprodukte von Bertsch Energy sind Biomassekraftwerke. Mit der Wirbelschichttechnologie sind wir in Europa Marktführer. Das Geschäft mit gas- und ölbefeuerten Kraftwerken hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Heute statten sich Raffinerien, Chemieparks und Industriebetriebe mit direktbefeuerten Kesseln aus. Diesen Sprung mussten wir am Markt machen. Das ist geglückt. Zudem sind wir mit Abhitzekesseln dort vertreten, wo es staubbeladene Abgase gibt, zum Beispiel in der Zementindustrie. Neben den Kraftwerksanlagen beliefern wir Kunden auch mit Prozessabhitzesystemen.

Hat die Energiewende in Deutschland Auswirkungen auf Ihr Geschäft?

Kranabetter Das war der größte Feind und die größte Bedrohung für uns. Bertsch Energy hatte früher die DACH-Region als Hauptmarkt. Biomasse- oder Gasturbinen-Kraftwerke funktionieren wirtschaftlich aber nur, wenn sie durchlaufen. Mit dem Aufkommen von Windrädern und Photovoltaik wurde die gesetzliche Regelung geschaffen, dass immer, wenn der Wind bläst oder die Sonne scheint, die kalorischen Kraftwerke komplett abschalten müssen. In dem Moment hat keiner mehr investiert. Wir haben in Deutschland im Jahr 2013 die letzten Biomasse- und Gasturbinenkraftwerke gebaut. Das war auch der Anlass dafür, dass wir uns bei den Märkten völlig neu ausgerichtet haben.

 

Wo sind Sie heute am Markt?

Kranabetter Eigentlich in ganz Europa. In Frankreich, Benelux, Tschechien, Rumänien, Norwegen und der Schweiz. In Österreich ab und zu. Deutschland war tot, kommt jetzt aber langsam wieder.

 

Wenn man nicht in Serie fertigt, sondern nach Maß: Inwieweit stellt das andere Anforderungen an ein Werk?

Kranabetter Man muss so eine Firma anders führen als einen Serienfertiger. Wir haben kein Lager, wir können nichts auf Lager produzieren. Wir können auch nicht von Tagesumsätzen sprechen, sondern von Auftragseingängen.

 

Bertsch ist traditionell in Osteuropa vertreten. Wie wichtig sind die osteuropäischen Länder und speziell die ehemaligen Sowjetrepubliken für Ihr Unternehmen?

Kranabetter Für Bertsch Foodtech und Bertsch Laska ist Osteuropa der absolute Hauptmarkt. Wenn die Foodtec künftige Kunden zu Referenzprojekten einlädt, dann nicht hier nach Bludenz, sondern nach Weißrussland. Dort stehen die größten Anlagen. Bertsch Energy hat dort nur ab und zu ein Geschäft. Es gäbe schon Ambitionen, dorthin zu gehen. Die Nachfrage hat aber im Rest Europas aktuell so stark angezogen und wir haben so viel verkauft, dass wir momentan keine freien Kapazitäten haben.

 

Gibt es Pläne, aufzustocken?

Kranabetter Bei Bertsch Energy haben wir rund 270 Mitarbeiter. Allein im Jänner haben wir 20 neue Mitarbeiter eingestellt. Wir stocken massiv auf und haben noch 50 Planstellen, vor allem für Ingenieure.

 

Die nicht so leicht zu finden sind . . .

Kranabetter Es ist gar nicht so schwer. Hochinteressant ist, dass wir uns viel leichter tun, Techniker zu finden, als Mitarbeiter auf der kaufmännischen Seite wie Buchhalter oder Einkäufer oder auch Projektleiter. Ein Grund ist, dass es nicht mehr so viele Mitbewerber in unserem Bereich gibt. Unsere Wettbewerber sind entweder verkauft, fusioniert oder bankrott. Neben uns gibt es im Bereich Biomasse nur noch ein europäisches Unternehmen, das in der Ursprungsform Bestand hat. Wer sich also auf die Fachrichtung Energietechnik spezialisiert, kann entweder zu uns kommen oder in den Ruhrpott gehen.

 

Stichwort „verkauft oder bankrott“: Was hat Bertsch im Gegensatz zum Wettbewerb besser gemacht?

Kranabetter Ein Grund war sicher, dass wir extrem breit aufgestellt sind. Das haben wir immer hochgehalten, obwohl es auch bei uns Diskussionen gegeben hat, Geschäftsfelder aufzulösen. Die meisten Firmen, die nicht mehr existieren, waren oft auf einen Bereich spezialisiert. Wenn das wegbricht, überlebt man nicht. Die Energiewirtschaft hängt nicht an der üblichen Konjunktur. Sie ist ganz stark getrieben von politischen Rahmenbedingungen. Deshalb ist es schwer planbar. Was uns ebenfalls geholfen hat, war die Erschließung neuer Märkte und der Schritt hin zu Generalunternehmeraufträgen.

„Unsere Kraftwerke sind keine Modellreihen, sondern maßgeschneidert für jeden Kunden.“

Die Produktion in Bludenz ist voll ausgelastet, denn die europäische Nachfrage nach Kraftwerken hat stark angezogen. VN/lerch
Die Produktion in Bludenz ist voll ausgelastet, denn die europäische Nachfrage nach Kraftwerken hat stark angezogen. VN/lerch

Kennzahlen

Gegründet 1925

Geschäftsführung Holding Gernot Kranabetter, Hubert Bertsch

Eigentümer Hubert Bertsch

Umsatz Firmengruppe 2017 135,7 Millionen Euro (+39,9 Prozent)

Mitarbeiter 371

Exportquote 94 Prozent

Unternehmen Bertsch Energy, Bertsch Foodtec, Bertsch Laska

Niederlassungen 20 in Europa, USA

Privat

Geboren 21. Mai 1968

Ausbildung an der Wirtschaftsuniversität Wien, Studium der Betriebswirtschaft

Laufbahn leitende Postionen in österreichischen Unternehmen, z. B. Gebro Holding, Fieberbrunn

Familie verheiratet

 

Der Salzburger Gernot Kranabetter pendelt. Nicht nur beruflich, wo er in ganz Europa zu Hause ist, sondern auch privat. Mit seiner Ehefrau wohnt er abwechselnd in Goldeck in der Nähe von St. Johann im Pongau und seinem Arbeitsort Bludenz: „Wie es uns gerade gefällt.“ Beruflich ist er „immer in der Luft, und deshalb nur am Wochenende daheim. Das Arbeitspensum schaffen wir nur mit eigenem Flugzeug. Zwei Drittel der Zeit bin ich unterwegs.“ Für zwei Dinge bleibe ihm in der Freizeit Muße. „Eines ist das Skifahren, das tue ich wirklich gerne, wenn ich etwas Zeit habe.“ Die zweite große Passion ist das Kochen. „Da bescheinigt man mir ein gutes Händchen. Es ist oft sehr aufwendig, da koche ich auch nach Kochbuch. Bei dieser Tätigkeit bekomme ich den Kopf frei.“