“Gutes Design ist, wenn Details passen”

Speziell Stühle haben sich zu Klassikern entwickelt.
Harald Künzle, Geschäftsführer von Reiter Design, über neue Trends und bewährte Klassiker.
Rankweil Reiter steht seit 35 Jahren für Design. Im Interview spricht Harald Künzle über Trends in der Einrichtung, guten Geschmack und gutes Design.
Was sind derzeit die Trends in der Wohn- und Objekteinrichtung?
Künzle Im Wohnbereich ist es der Mix aus verschiedensten Richtungen. Es gibt keine ganz klare Linie wie früher. Es ist vieles erlaubt. Es wird Altes mit Neuem kombiniert. Im Projektbereich läuft gerade eine unglaubliche Bewegung. „new work“ ist das Schlagwort. Das Arbeiten verändert sich sehr stark.
Ist Unternehmen das Innenleben ihrer Standorte heute wichtiger?
Künzle Absolut. Davon profitieren wir stark, weil wir hier sehr gut aufgestellt sind. Wir merken eindeutig, dass Unternehmen in hochwertige Möblierung investieren. Im Kampf um die besten Köpfe will man mitunter eine wohnliche Komponente bieten. Dabei wird heute mehr in Konzepten gedacht. Neben dem klassischen Arbeitsplatz gibt es Begegnungszonen und Treffpunkte. Man möchte, dass die Mitarbeiter übergreifend kommunizieren. Aber insgesamt gibt es kein universelles System. Es ist sehr individuell, auch in den Materialien. Ein technisches Unternehmen beispielsweise hat ganz andere Anforderungen als eine Werbeagentur.
Wie ist die Aufteilung zwischen Wohn- und Objekteinrichtung?
Künzle Wir sind damals mit der Aufteilung 90 Prozent Objekteinrichtung und zehn Prozent Wohnen gestartet. Dann kamen vermehrt Schweizer Privatkunden zu uns. Deshalb haben wir unser System stärker auf den Privatmarkt ausgerichtet. Heute machen wir 70 Prozent im Objektbereich und 30 Prozent im Wohnen. Unsere Zielrichtung ist 60:40. Das ist eine gut ausgewogene Situation und kommt uns entgegen, weil viele Projekte auch wohnlich sind.
Im Vorjahr hat Reiter ein Umsatzplus von 25 Prozent erzielt. Aus welchem Bereich kommt dieses Wachstum?
Künzle Wir haben im Projektbereich bereits ein sehr hohes Level. Wo wir dazugewinnen können, ist der Wohnbereich. Da merken wir das Potenzial, das noch vorhanden ist. Das Wachstum im vergangenen Jahr hat neben Vorteilen aber auch Nachteile. Denn man muss auch in der Struktur des Unternehmens mitwachsen. Man kann nicht mit der gleichen Mannschaft 25 Prozent mehr umsetzen.
Wie gestaltet sich die Wettbewerbssituation?
Künzle Ich sage lieber Marktbegleiter, denn man begegnet sich oft und wir können alle sehr gut miteinander. Im Wohnen ist der Wettbewerb im gehobenen Bereich überschaubarer, weil man entsprechende Marken und Flächen braucht. Jeder Hersteller hat gewisse Vorstellungen, wie die Produkte präsentiert werden sollen. Im Projektbereich sind die Marktbegleiter unterschiedlich, je nach Zielgruppe. Im Officebereich haben wir andere wie im Hotel-, Industrie- oder Sozialsegment. Es gibt überall Spezialisten. Wir wiederum sind sehr breit aufgestellt.
Sie haben viele große Marken im Angebot. Das haben andere auch. Worin liegt Ihr Fokus?
Künzle Wir schöpfen aus einem Pool von 400 Herstellern und kuratieren daraus die Möbel für unsere Region und unsere Kunden. Wir versuchen, die Philosophie des Designs zu vermitteln. Als Händler liegt unser Wert in der Kommunikation.
Wie weit sind Sie aktiv?
Künzle Die Hauptmärkte sind Vorarlberg, Tirol und die Ostschweiz. Aber die Architekten nehmen uns oft mit auf die Reise. So sind wir auch in München, Hamburg oder Spanien aktiv. Unser bislang größtes Projekt war in Wien. Wir haben gesagt, wenn wir das über diese Distanz schaffen, dann können wir auch andere Aufgaben bewältigen.
Was bedeutet Design für Sie?
Künzle Gutes Design ist es für mich dann, wenn die Details passen. Charles Eames hat schon gesagt: „The details are not the details. They make the design.”
Gibt es keine Diskrepanz zwischen Design und Geschmack?
Künzle Ja, hin und wieder sehen wir, dass zwar Geld vorhanden ist, aber kein guter Geschmack. Nicht dass wir jemanden belehren wollen, aber man kann informieren und begeistern. Dabei erleben wir sehr oft, dass sich dadurch die Wertschätzung steigert.
Ist gutes Design nicht letztlich eine Einkommensfrage?
Künzle Ich bin nicht der Meinung, dass man sich mit Design vollpflastern muss. Man kann auch statt acht Stühlen nur vier kaufen und die restlichen dann über die Jahre. Dafür hat man die Wertschätzung für diese vier Stühle, die man sich gekauft hat. Gutes Design hat auch oft nicht nur mit dem teureren Produkt zu tun. Es gibt auch gutes Design, das im günstigeren Bereich beginnt. Das Produkt, das teuer wird, ist der Klassiker, der sich über viele Jahre im Wert steigert. Bei einer jährlichen Wertsteigerung hat ein Produkt, das schon 50 Jahre alt ist, einen höheren Preis.
Wie viele Möbel werden über die Jahre zum Klassiker?
Künzle Nicht viele. Von zehn ist es maximal ein Entwurf oder gar keiner. Deshalb haben verkaufen auch nach wie vor Klassiker aus den 50er Jahren. Damals hat man vieles neu designt, das bis heute Bestand hat. Da haben es neue Produkte oft schwer dagegen anzukommen. Revolutionen gibt es vor allem in der Beleuchtung. Mit der Umstellung auf LED hat sich vieles verändert.
War selber zu entwerfen nie ein Thema für Sie?
Künzle Ich habe ein paar Entwürfe gemacht, aber es ist nicht mein Fokus. Vielmehr fühle ich mich in der jetzigen Situation wohl. Als Teamplayer mit Freude an Projekten und langfristigen Partnerschaften.
„Mir ist es sehr wichtig, den Lehrberuf Einrichtungsfachberater stärker in den Fokus zu stellen.“

Kennzahlen
Gegründet 1984
Gesellschafter Hermann Tschabrun Leasinggesellschaft m.b.H. (90 %), Harald F. Künzle (10 %)
Geschäftsführung Harald F. Künzle
Mitarbeiter rd. 20, ein Lehrling
Umsatz 2018 8,2 Millionen Euro (+25%)
Niederlassungen Rankweil, Innsbruck, Projektgeschäft in ganz Europa, Schwerpunkt D-A-CH-Region
Privat
Harald F. Künzle
Geschäftsführer Reiter Design
Geboren 13. September 1967
Ausbildung technische und kaufmännische Ausbildung, gelernter Kaufmann, Parsons School of Design New York, Praktika bei diversen Designstudios in Mailand
Laufbahn Einstieg bei Reiter (damals Holzbaustoffe), Geschäftsführung
Familie Partnerschaft, zwei Kinder
Design und Kunst sind auch in der Freizeit für Harald Künzle im Fokus, wie er bekennt. Mit seiner Partnerin, die Künstlerin ist, ist Künzle in Sachen Kunst viel unterwegs. „Dafür interessiere ich mich natürlich auch sehr. Wir besuchen viele Ausstellungen und Museen“, berichtet er. Daneben haben Harald Künzle und seine Partnerin das Tanzen als Hobby für sich entdeckt. Er konkretisiert: „Tanzen, das uns liegt, das uns einen Ausgleich bringt.“ Das Paar betreibt den Tanz nicht professionell, nur zum eigenen Vergnügen. „Das bringt mir sehr viel Lebensfreude.“ Er könne sich dabei öffnen, das ist sehr angenehm.