Androsch: Versuch einer Vorausschau

Markt / 28.03.2020 • 09:00 Uhr
Androsch: Versuch einer Vorausschau
Dr. Hannes Androsch ist Finanzminister i. R. und Unternehmer. APA

Kommentar zur Coronakrise von Hannes Androsch.

Es ist zu hoffen, dass es rasch gelingt, den um den Erdball rasenden apokalyptischen Reiter „Coronavirus“ durch einschneidende Maßnahmen einzufangen. In Asien scheint dies schon gelungen. Und auch uns muss dies – trotz anfänglichem Zögern – mit strikter Disziplin möglich sein, ohne in kollektive Depression zu verfallen. Zudem ist auf die rasche Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten zu hoffen.

„Die Maßnahmen werden Wirkung zeigen, den wirtschaftlichen Rückgang aber nicht verhindern können.“

Die bisher getroffenen Maßnahmen werden gravierende wirtschaftliche Folgen haben. Weite Teile der Wirtschaft sind zum Stillstand gekommen – ein schwerer Schlag für die gesamte Weltwirtschaft, gefolgt von der Gefahr eines ökonomischen Supergaus. Umso wichtiger ist es, jetzt mit allen Mitteln gegenzusteuern, nach dem Grundsatz „Whatever it takes“. Wer rasch und unbürokratisch hilft, hilft doppelt. Dabei wäre eine globale Kooperation wünschenswert, ist mit Trump aber nicht möglich. Umso wichtiger ist eine rasche europäische Lösung. Die europäische Notenbank EZB hat mit einer Liquiditätszusage von 750 Mrd. Euro diesbezüglich schon gehandelt. Nun muss der Einsatz einer „Euro-Bazooka“, d. h. ein europäischer Fiskalpakt, folgen. Nur so gelingt die Absicherung des europäischen Binnenmarktes.

Die Maßnahmen werden Wirkung zeigen, den wirtschaftlichen Rückgang aber nicht verhindern können. Selbst bei rascher Erholung wird der Schaden enorm sein. Die kommenden Jahre bedeuten langsameres Wachstum, höhere Inflation und deutlich mehr Arbeitslose.

Wir werden weder im Alltagsleben noch in der Wirtschaft zum bislang Gewohnten zurückkehren. Die jetzt erzwungene Entschleunigung wird teilweise bestehen bleiben, und auch unser Reise- und Urlaubsverhalten sowie unser Konsum werden sich verändern. Selbst wenn wir – hoffentlich – nicht in den Fehler deglobalisierender und isolationistischer Renationalisierung verfallen, werden sich Produktionsformen und Lagerhaltungen der Unternehmungen wandeln, um das Risiko zu engmaschiger Lieferketten und zu knapper Lagerhaltung sowie der damit verbundenen Verwundbarkeit zu reduzieren. Roboterisierung, Künstliche Intelligenz und 3D-Druck werden verstärkt zur Anwendung kommen. Insgesamt wird sich die digitale Transformation beschleunigen, u.a. auch im Bildungsbereich. Krisenpläne und ‑einrichtungen werden ebenso erhöhte lokale Aufmerksamkeit finden wie die Versorgung mit kritischen Produkten (Medikamente, Schutzausstattungen) oder kritische Infrastrukturen.

Zu hoffen ist, dass künftig wieder mehr Zusammenhalt, Gemeinsinn und Solidarität geübt werden. Keinesfalls darf die gegenwärtige Krise für polarisierende Selbstinszenierung genutzt werden! Die Bewältigung dieser Aufgaben ist neben den schon längst bestehenden Problemen eine Überlebensfrage.