“Ich habe so ein flaues Gefühl”

Markus Faißt über den Umgang mit Holz, CO2-Bilanzen, Regionalität und warum die Jugend reisen sollte.
Hittisau Markus Faißt baut seit 1993 in seiner Holzwerkstatt Möbel und hat von Anfang an auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz gesetzt. Seine Meisterschaft strahlt über die Grenze, Möbel und Haltung des Hittisauers heben ihn heraus. Auch und weil er oft unbequem ist.
Herr Faißt, wie würden Sie Ihren Beruf bezeichnen?
Markus Faißt Holzwerkstatt ist keine wahnsinnskreative Wortschöpfung, aber in meinen Anfangszeiten vor Jahrzehnten wollte ich partout nicht Tischler sein, obwohl ich Tischlermeister bin. Damals war es so, dass die Tischler mit industriellen Rohstoffen und Halbfertigprodukten gearbeitet haben, die ökologisch, baubiologisch, kulturell für mich mehr als fragwürdig waren. Deshalb wollte ich das ganz anders machen. Das war für mich ein Auftrag, das zu interpretieren und umzusetzen und nicht einfach zu konservieren.
Ihre Branche kann sich vor Aufträgen nicht retten. Sind die Tischler Profiteure der Corona-Lockdowns?
Faißt Handwerk zählt eindeutig zu den Gewinnern. Der Konsumstau, der anderswo nicht stattfand, konnte sich beim Frischmachen und Neugestalten, Um- und Zubauen zu einem Teil entladen. Was lohnt denn noch eine Investition? Das eigene Heim. Umgekehrt hat das Handwerk auch große Herausforderungen. Ich kenne Betriebe, die hätten viel Arbeit, aber zu wenig Mitarbeiter. Da wird sich nichts entspannen. Wir wissen auch, dass alle eine gute Auslastung haben, aber richtig Geld verdienen tun wir im Handwerk noch lange nicht. Wir wissen, wo das Geld verdient wird, wenn z. B. in Immobilien investiert wird. Da gibt es auch Handwerksbetriebe, die auf einmal Immobilienentwickler geworden sind.
Die gute Auftragslage kollidiert mit Engpässen und Preissteigerungen …
Faisst Ich finde, es war übertrieben, was kolportiert wurde, wir wissen auch wie volatil die internationalen Märkte reagiert haben, jetzt sind die Preise schon wieder gefallen. Jeder hat gebunkert, man spricht ja vom „Klopapiereffekt“. Wir sind stolz darauf, dass Holz in Österreich üppig verfügbar ist. Pro Sekunde wächst ein ganzer Kubikmeter nach. Das ist eine schöne Menge und das könnte dazu animieren, mehr Holz zu verbrauchen. Das stimmt aber so nicht. Obwohl ich seit Jahrzehnten nur im Bregenzerwald gewachsenes Holz verwende, das wir mit einer sehr optimalen C02-Bilanzierung zu Möbeln fertigen, habe ich dennoch vor diesem Holzverbrauch richtig Respekt. Weltweit gesehen ist Holz nämlich eine rare Materie und auch den Gesundheitszustand der Wälder kann man nicht sehr loben. Ich habe deshalb den Anspruch, dass das Holz so gut verwendet werden muss, dass es mindestens so lange hält, wie der Baum zum Wachsen gebraucht hat. Da sind wir auch in der größeren Holzbauarchitektur sehr verbesserungswürdig. Deshalb habe ich auch mit der Holzbauarchitektur bei uns im Bregenzerwald so meine Mühen. Ich habe so ein flaues Gefühl, ob das auch zwei, drei, fünf Generationen hält. Wenn nicht, haben diese schönen Bilanzierungen für das Holz große Fragezeichen. In der Wiederverwendung hat Holz nicht die besten Qualitäten.
Nimmt die Nachhaltigkeit wirklich Fahrt auf?
Faißt Zum einen ist es überfällig und schon ein Hoffnungsschimmer, dass die Themen Nachhaltigkeit, Klimaziele, CO2 -Neutralität so eine Breite bekommen haben. Es gibt ja keinen Wirtschafts- oder Gesellschaftszweig, wo man nicht Nachhaltigkeit postuliert. Bei der Wirkung bin ich aber sehr skeptisch, weil der Begriff so inflationär angewendet wird. Es gibt auch erschreckende Beispiele, wo sich richtige Sünder mit geschickter PR und mit Freikäufen CO2-neutral nennen dürfen. Ich glaube, dass manche Rechnungen so nicht stimmen. Wenn man in Vorarlberg sagt, wir werden bis 2028 CO2-neutral, könnte das stimmen mit dem, was wir im Land tun. Aber was kommt denn alles herein, was wird an Unwahrheit eingekauft? Wie rechnet sich diese CO2-Bilanz? Ich sehne mich nach charakterstarken Menschen, die uns klaren Wein einschenken.
Auch Ihre Kunden sind nicht nur in Vorarlberg zu finden…
Faisst Das stimmt, es gibt von uns kleine Arbeiten in Tokyo, London, Stockholm, sogar in New York. Aber das sind Ausnahmen. Ich finde, dass das die Welt immer auch bereichert hat, vor allem zu einer Zeit, als es diese menschenverursachte Überbelastung der Welt noch nicht gegeben hat, war das ja hehr, etwas zu entdecken und zu erobern an Handelsbeziehungen und Austausch. Ich glaube, dass es das maßvoll geben sollte. Die Sachen von uns, die weit weg gegangen sind, das sind Minderheitsanteile, als außerordentliche Anreicherung und kulturelle Inspiration. Allerdings werde ich das nie ausbauen. Ich finde es auch krank, dass man Erfolg an der Außenhandelsbilanz misst, obwohl die Zahlen leider dafür sprechen. In Vorarlberg reden alle von Regionalität, aber wir sind Exportweltmeister und erwarten, dass die anderen nicht regional sind und alles von uns kaufen. Wir müssen mehr auf regionale Kreisläufe achten und nicht rein wegen des Images betonen, wie toll bei uns alles ist. Nur von klein-klein, und nur wir Vorarlberger sind gut, halte ich nichts. Mit der Welt Kontakt zu halten geht auf tausendfache Weise. Corona hat uns gezeigt, wie wir das mit neuen Kommunikationsmöglichkeiten können.
Sie selbst waren lange im Ausland und fördern den Lehrlingsaustausch.
Faißt Ich war zehn Jahre weg – vier Jahre in der Entwicklungszusammenarbeit in Südamerika, mehrere Jahre in Wien. Weltfremd zu sein und nur das Eigene als richtig anzusehen, das ist mir suspekt. Wir waren im Handwerk der erste Betrieb, der umfangreich mit Lehrlingen Austausch gemacht hat. Junge Leute brauchen soziale Interaktion,
Begegnung und Praxiserfahrung.


vom Klopapiereffekt.“
Zur Person
Markus Faißt
Geboren 17. April 1962
Ausbildung Tischlermeister, verschiedene Kurse und Lehrgänge, zum Beispiel an der Universität Lima, Katholische Sozialakademie Österreich etc.
Laufbahn Entwicklungszusammenarbeit in Südamerika, Lehrauftrag Universität Linz, Gastvorträge an der ETH Zürich, kommunalpolitisches Engagement, Kulturforum Bregenzerwald, Klimabündnis-Pionier, Vortragender Handwerk/Klimaschutz
Familie verheiratet mit Gertrud, zwei Töchter, ein Sohn
Holzwerkstatt Markus Faißt
Übernahme 1993 vom Vater
Mitarbeiter 10