Jeder dritte Arbeitssuchende in Vorarlberg ist langzeitarbeitslos

Mit dem “Sprungbrett” soll der Wiedereinstieg in die Arbeitswelt gelingen.
Bregenz, Wien Die Langzeitarbeitslosigkeit in Vorarlberg zu verringern, ist für den Geschäftsführer des AMS Vorarlberg, Bernhard Bereuter, die vordringlichste Aufgabe. Seit Wochen und Monaten appelliert er sowohl an die Arbeitslosen wie auch an Unternehmen. An die Arbeitslosen gerichtet, fordert er sie auf, Schulungsmaßnahmen, die vom AMS gefördert werden, in Anspruch zu nehmen, um bessere Chancen am Arbeitsmarkt auch wahrnehmen zu können. An die Unternehmer, diesen Menschen eine Chance zu geben, sie zu Bewerbungsgesprächen einzuladen und dabei weniger auf die Länge der Arbeitslosigkeit, als auf die Qualifizierung und die sozialen Fähigkeiten zu achten. Bei Anstellungen werden die Firmen vom AMS unterstützt.
Ein Drittel langzeitarbeitslos
Derzeit sind in Vorarlberg 3010 Personen langzeitbeschäftigungslos, davon 1371 Frauen und 1639 Männer, also fast ein Drittel aller derzeit arbeitslos gemeldeten Personen. Im Jahr 2019 waren im Land noch 1539 Menschen lange ohne Arbeit, im April 2021 waren es 3430, seither haben immerhin 420 wieder eine Arbeit gefunden. Ein Lichtblick, der zeigt, dass die Unterstützungsmaßnahmen Wirkung zeigen, aber auch, dass sich der Arbeitsmarkt wieder weitgehend erholt hat. Momentan sind sogar mehr Menschen in Brot und Arbeit als 2019, konkret 0,7 Prozent mehr österreichweit. Allerdings sind nach wie vor die Arbeitslosenzahlen höher als im letzten Jahr vor der Pandemie.
Von Langzeitarbeitslosigkeit besonders betroffen sind im Vergleich der Bundesländer Tirol, Salzburg und Vorarlberg. In Tirol ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen von Juli 2019 bis Juli 2021 um 83,5 Prozent gestiegen, so stark wie in keinem anderen Bundesland. Doch bereits auf Platz zwei folgt Vorarlberg mit einer Steigerung von 68,1 Prozent. Dass der Westen besonders betroffen ist, das liegt vor allem daran, dass der Wintertourismus komplett ausgefallen ist, so Marcel Göttert und Dénes Kucsera, die den österreichischen Arbeitsmarkt für die Denkfabrik Agenda Austria im Auge behalten. Rückgänge sehen sie aber auch in der Textilindustrie, im Maschinenbau und bei den Autozulieferern. Boombranchen wie der Bau oder die Elektroindustrie konnten, so die Agenda-Austria-Ökonomen, die Rückgänge insgesamt nicht ausgleichen.
Sprungbrett für Arbeitslose
Dass die Wiederbeschäftigung Langzeitarbeitsloser gefördert werden soll, darin sind sich AMS, Agenda Austria und natürlich der österreichische Arbeitsminister Martin Kocher einig. Bereuter verweist auf das bundesweit lancierte Förderprogramm „Sprungbrett“, das Unternehmen finanzielle Unterstützung bei der Einstellung eines langzeitbeschäftigungslosen Menschen gewährt. Das Arbeitsmarkt übernimmt bis zu einem Jahr einen Großteil der Lohn- und Lohnnebenkosten. „Im ersten Halbjahr 2021 haben 156 Personen durch diese Lohnkostenförderung wieder eine Arbeit gefunden“, so Bereuter gegenüber den VN. An die Unternehmen wurden dafür 1,45 Millionen Euro ausbezahlt. Insgesamt investiert das AMS Vorarlberg im Jahr 2021 rund elf Millionen Euro für die Integration von langzeitbeschäftigungslosen Personen in den Arbeitsmarkt.
Göttert pocht darauf, dass die Förderungen für den beruflichen Wiedereinstieg auf jeden Fall an Schulungen und Umschulungen geknüpft werden. „Der Fokus muss auch dabei auf digitale Kompetenzen gelegt werden.“ Neben der oft fehlenden Qualifikationen sei auch ein Problem, dass die derzeit offenen Jobs meist in Regionen angeboten werden, wo es nicht genug Arbeitssuchende gibt. Um die Arbeitsplatzoffensive zu finanzieren, schlägt Dénes Kucsera unabhängig von den Löhnen eine Reduzierung der Sozialversicherungsbeiträge um 250 Euro bei allen Arbeitnehmern vor.
Was tun gegen Langzeitarbeitslosigkeit?
Ich appelliere an die Unternehmen, nicht auf die lange Arbeitslosigkeit, sondern auf die Fähigkeiten der Menschen zu schauen. Großes Potenzial sehe ich auch am zweiten Arbeitsmarkt, da gibt es dann schon Referenzen. Bernhard Bereuter, AMS Vorarlberg
Maßnahmen zur Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen müssen für jeden individuell und damit zielgerichtet sein. Für Menschen, die gesundheitlich angeschlagen sind, wäre ein Teilzeitjob besser. Marcell Göttert, Agenda Austria
