Die Suche nach der Balance

Jugendarbeitslosigkeit ist beinahe auf dem Vorkrisenniveau geschrumpft.
Arbeitsminister Kocher will sich nicht auf Verschärfungen einzelner Aspekte des Arbeitslosengeldes festlegen.
Schwarzach Arbeitsminister Martin Kocher weilt derzeit in Vorarlberg. Am Rande eines Besuches der Dornbirner Jugendwerkstätten spricht er mit der stellvertretenden Chefredakteurin Hanna Reiner über die Situation am Arbeitsmarkt und die Debatte zum Arbeitslosengeld.
Wie wichtig sind Einrichtungen wie die Jugendwerkstätten?
Kocher Sie sind sehr wichtig. Wir haben glücklicherweise in Österreich eine gute Lage, wenn es um die Jugendbeschäftigung geht. Trotzdem gibt es jedes Jahr Tausende Jugendliche, die Schwierigkeiten haben, in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Deshalb ist es wichtig, Einrichtungen zu haben, die diese an den Arbeitsmarkt langsam heranführen und begleiten.
Was wären aus Ihrer Sicht die Vorteile eines degressiven Arbeitslosengeldes?
Kocher Wir diskutieren sehr viel um Einzelaspekte der Arbeitslosenversicherung. Mir ist aber grundsätzlich wichtig, dass wir über alle Aspekte diskutieren, die eine Rolle spielen. Am Schluss muss ein austariertes Gesamtpaket stehen. Wir wollen Einkommen besser absichern. Das heißt, dass es anfangs durchaus ein höheres Arbeitslosengeld geben könnte. Wir wollen aber auch Beschäftigung fördern und die Vermittlung beschleunigen. Wenn wir das schaffen, haben wir auch etwas Spielraum beim Arbeitslosengeld.
Gibt es einen Mittelweg zwischen den Forderungen beim Zuverdienst?
Kocher Den gibt es sicher, es haben auch beide Seiten in gewisser Weise recht. Einerseits sind Zuverdienstmöglichkeiten ein Fuß in der Tür, man erhält Fähigkeiten, die man braucht. Andererseits können sie manchmal jemanden davon abhalten, sich Vollzeit zu engagieren. Niemand spricht von einer Abschaffung, aber immer hinzuverdienen zu können ist vielleicht ein Hemmnis. Wir schauen uns genau an, was man tun kann, um Menschen schnell wieder in Beschäftigung zu bringen.
Es gibt Menschen, die arbeiten könnten, aber vielleicht nicht wollen. Wird es für diese unbequemer?
Kocher Unbequemer nicht aus meiner Sicht. Es geht um Differenzierung und um klare Regeln. Gleichzeitig braucht es auch die Verpflichtung von uns, alles daran zu setzen, gute Vermittlungsangebote zu setzen. Wenn jemand mehrere gute Jobangebote nicht annimmt, dann ist klar, dass es Sanktionen geben muss. Diese gibt es schon, und die Frage ist, wie werden diese am besten ausgestaltet.
Was ist einem Arbeitslosen zumutbar?
Kocher Wir haben ein recht ausdifferenziertes System. Direkte Distanz ist ein Kriterium, da kann man sicher darüber sprechen, ob das so optimal ist. Ich glaube, dass die aktuellen Regeln streng genug sind, die Frage ist aber die Umsetzung. Während Corona wurden diese zeitweise ausgesetzt, nun kehren wir in die Normalität zurück. Da kann man diskutieren, müssen sie schärfer sein oder sind sie sogar zu scharf, da will ich nicht vorgreifen.
Wie optimistisch sind sie generell für den Arbeitsmarkt?
Kocher Glücklicherweise ist die Erholung um einiges stärker ausgefallen als erwartet. Wir haben fast das Vorkrisenniveau wieder erreicht. Ich erwarte, dass das so weiter geht. Spätestens 2023 sollten wir das Vorkrisenniveau erreicht haben, selbst wenn es noch etwas an Einschränkungen braucht, um die Pandemie zu bekämpfen. vn-rau
Niemand spricht von einer Abschaffung, aber immer hinzuverdienen zu können ist vielleicht auch ein Hemmnis.

Zumutbarkeit der Distanz bei der Wahl eines neuen Arbeitsplatzes steht in der Diskussion.

Martin Kocher sieht beim degressiven Modell auch Raum für Erhöhungen.