Auf eine echte Krise vorbereiten

Markt / 02.06.2022 • 18:46 Uhr

Fiskalratsvorsitzender Christoph Badelt zu Mitarbeitermangel, Gas und Inflation.

Dornbirn Christoph Badelt ist einer der bekanntesten und profiliertesten Ökonomen Österreichs. Von 2002 bis 2015 war der gebürtige Wiener Rektor der Wirtschaftsuniversität Wien, danach bis 2021 Leiter des Wirtschaftsforschungsinstitutes (WIFO). Seit 2021 ist Badelt Präsident des Fiskalrates, das Gremium, das durch Analyse der Kapitalmärkte und der Entwicklung der Finanzschuld die Politik unterstützen soll, finanzpolitische Maßnahmen zu setzen.

Badelt war am Donnerstag zu Gast beim 4. Business Summit der Fachhochschule Vorarlberg, die dieses Mal unter dem Titel „Nachhaltig denken und handeln“ stattfand.  Im Gespräch mit den VN analysierte er die Lage der Wirtschaft insgesamt, die Inflation und wie die Wirtschaft, aber auch der Staat damit umgehen können und sollen.

Mitarbeitermangel

Der Mangel an Fachkräften und Mitarbeitern überhaupt, werfe Fragen auf, die eigentlich längst beantwortet sein müssten. „Wir Wirtschaftswissenschaftler haben darauf schon seit Jahren hingewiesen“ so Badelt. Aber er nimmt nicht nur die Politik, sondern auch die Unternehmen in die Pflicht. „Es braucht auch für Mitarbeiter eine ständige Weiterbildung. Nach wie vor gibt es viele Menschen, die keine ausreichende Bildung haben“, auch bildungsferne Schichten und Menschen mit migrantischem Hintergrund müssen, so Badelt, besser eingebunden werden.

Von der öffentlichen Hand fordert Badelt eine umfassende Kinderbetreuung, die ein „ganz wesentlicher Faktor ist“, um Frauen, die heute besser den je ausgebildet sind, in Beschäftigung zu halten oder zu bringen. Und auch das heikle Thema Migration müsse berücksichtigt werden. „Das muss sofort angegangen werden, denn den Mitarbeitermangel gibt es nicht nur in Österreich, den gibt es in allen europäischen Ländern“.

Energiemangel

„Ich persönlich glaube, dass wir uns auf eine echte Krise vorbereiten müssen“, er wolle nicht daran glauben, anderswo genug Gas zu bekommen, um wie bisher weiterzumachen, sagt Badelt. Er kenne keine entsprechenden Szenarien, die es vielleicht gebe, fordert deshalb einen Fahrplan für den Worst Case. Bisher müsse man „nur“ den hohen Preis bezahlen, aber etwas ganz anderes sei, wenn das Gas tatsächlich ausgehe. Die politische Priorisierung der Haushalte und Stromerzeuger greife zu kurz: „Man darf die Industrie aber nicht als Restgröße ansehen“. Komme es zu einer extremen Mangelwirtschaft und Energieknappheit, „dann drohen Hunderttausende Arbeitslose und Versorgungsprobleme“. Und der Forderung von Fridays for Future, fossile Energie sofort einzustellen, erteilt er eine Absage: „Liebe Kinder, es ist nicht alles so einfach, wie man sich das vorstellt.“

Inflationsbekämpfung

In der Debatte um die Abmilderung der Inflation verlangt er eine starke Fokusierung auf einkommensschwache Personen. Das Gießkannenprinzip führe zu einer falschen Verteilung. Man müsse sich um die Menschen verstärkt kümmern, die sich das Wohnen, die sich den Alltag nicht mehr leisten können. Wegen des Datenschutzes  sei es allerdings nicht möglich, Haushaltseinkommen zu ermitteln. Da  müsse man abwägen, wie wichtig die Unterstützung genommen werde. Was die Opposition fordere, sei jedenfalls Populismus, nicht zielführend und oft ein „Blödsinn, das werden wir uns nicht leisten können“. Zwar werde die Inflation alle Bevölkerungsschichten treffen, doch für weite Kreise sei das kein Problem, auch „wenn wahrscheinlich die Sparquote etwas sinken wird“. VN-sca

„Liebe Kinder, es ist nicht alles so einfach, wie man sich das vorstellt.“