„Überzogene Preisforderungen“

Debatte um Gier, Gewinne und Inflation. Spar-Vorstand kritisiert Lebensmittelkonzerne.
Schwarzach Die Teuerung trifft derzeit die Menschen ins Mark. Gleichzeitig machen Konzerne Milliardengewinne. In den USA ist in diesem Zusammenhang der Begriff „Greedflation“ in aller Munde – eine Kombination aus „greed“ (Gier) und Inflation. Dahinter steckt der Vorwurf, dass Konzerne die derzeit hohe Inflation ausnutzen, um ihre Preise deutlicher zu erhöhen, als sie müssten, um so ihre Gewinne zu steigern. Die Frage, die diskutiert wird, ist also, ob die Inflation durch die Gier der Konzerne angeheizt wird?
Milliardengewinne
Die Liste der Profiteure scheint lang. So verzeichnet der größte US-Ölmulti Exxon im zweiten Quartal einen Rekordgewinn von 17,9 Milliarden US-Dollar, was US-Präsident Joe Biden dazu veranlasste, den Konzern öffentlich anzuprangern. Auch ein Blick auf die jüngsten Bilanzen von multinationalen Konsumgüterkonzernen zeigt, dass ein Großteil des Wachstums auf Preiserhöhungen zurückgeht.
Diese Preispolitik veranlasste Edeka-Chef Markus Mosa dazu, seine Lieferanten vor überhöhten Preisforderungen zu warnen. Es sei gefährlich, wenn einige Industriekonzerne versuchten, ihre Renditen mit überhöhten Preisforderungen zu maximieren.
Bei Lebensmittelhändler Spar sieht man das ebenfalls sehr kritisch. Vorstand Markus Kaser sagt zu den VN: „Gegenwärtig sind Menschen mit Teuerungen auch bei Lebensmitteln konfrontiert, die teilweise auf steigende Energie- und Rohstoffpreise zurückzuführen sind. Die derzeitigen Preisforderungen mancher Lebensmittelhersteller sind jedoch maßlos überzogen. Während Danone, Nestle, Unilever & Co. enorme Gewinne mit jenseits von 10 bis 15 Prozent vom Umsatz verkünden, können sich manche Konsumenten Mehl und Nudeln nicht mehr leisten.“
Verhandeln hart
Als größter Lebensmittelhändler im Land halte Spar hier dagegen, verhandle hart und prüfe, ob jede Preissteigerung gerechtfertigt ist.
Auch von Ökonomen wird der Zusammenhang zwischen Inflation und Gier diskutiert. Dabei geht es um die Frage, ob Konzerne die Inflation ausnutzen oder ob Gewinnmaximierung schlicht Teil des „normalen“ Kapitalismus ist? „Die Situation ist komplizierter als es auf den ersten Blick erscheint“, sagt Hanno Loretz, stv. Direktor von Agenda Austria, zu den VN. „Unternehmen haben neben den gestiegenen Einkaufspreisen auch mit Personalmangel und Lieferengpässen zu kämpfen. Auch das muss eingeplant und in den Preisen berücksichtigt werden.“ Auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene lasse sich zwar nicht beobachten, dass die Notlage systematisch zur Gewinnsteigerung missbraucht werde. Es werde aber Bereiche geben, in denen das leichter möglich wäre. „Zu Marktmissbrauch kann es dort kommen, wo es zu wenig Wettbewerb, also zu wenig Markt gibt. Bei Mineralöl-Unternehmen oder auch der Baubranche laufen derzeit Untersuchungen, ob dies der Fall ist“, so Lorenz. Im Energiesektor wiederum habe man eine Sondersituation mit der Merit Order. Das habe in dieser Konstellation aber nichts mit Gier, sondern dem Strommarkt an sich zu tun.
Übergewinnsteuer sinnvoll?
In Bezug auf Inflation und Konzerngewinne wird aktuell auch über eine Übergewinnsteuer diskutiert. Großbritannien oder Italien haben bereits eine Sondersteuer auf hohe Zusatzgewinne von Öl- und Gasunternehmen eingeführt. Davon hält Hanno Lorenz aber nichts. „Populismus löst keine Probleme. Wir brauchen keine politische Moralpolizei, die bestimmt, wie hoch die Gewinne in den Unternehmen sein dürfen.“ Das führe zu Unsicherheit. „Jedes profitable Unternehmen wird sich fragen, wer als nächstes dran ist. Krisengewinner gab es auch im Coronajahr bei Impfstoffherstellern oder Anbietern von Freizeitprodukten. Sollen diese nun auch zur Kasse gebeten werden? Oder nur jene, deren Gewinne die Regierung für unmoralisch hält?“ VN-reh
