Wirtschaftsbarometer: Was sich die Vorarlberger für die Zukunft erwarten

Wirtschaftsbarometer: 68 Prozent sehen wirtschaftliche Lage nur „leicht bewölkt“.
Schwarzach, Linz Blickt man auf die seit dem Jahr 2012 vom Linzer Meinungsforschungsinstitut Spectra für die Vorarlberger Nachrichten und die Bundesländerzeitungen erhobenen Wirtschaftsbarometer zurück, war die Aussicht auf die wirtschaftliche Entwicklung schon deutlich negativer als derzeit. So glaubten Ende 2020 63 Prozent der Österreicher, dass es wirtschaftlich „eher abwärts geht“, und Ende 2022 glaubten – durchaus mit entsprechendem Hintergrund – 55 Prozent an einen Abwärtstrend. Das hat sich im zweiten Quartal 2023 nicht gerade gedreht, aber immerhin zum Besseren entwickelt.

Vorarlberger skeptisch
Derzeit glauben noch 36 Prozent, dass es abwärts geht, doch diese Menschen kann Peter Bruckmüller, Geschäftsführer von Spectra, auch verstehen. „Die Krisenstimmung der vergangenen zwei Jahre sitzt in den Köpfen, die Haut ist dünn und die Stimmung kann sich auch schnell wieder ins Negative drehen“, erklärt er. Entsprechend besser ist der Eindruck der Österreicher, dass sich die Wirtschaftslage zum Besseren wendet. 14 Prozent sehen Zeichen dafür, dass es wieder aufwärts geht, 44 Prozent sind der Meinung, dass es wirtschaftlich „gleich bleibt“. Die Vorarlberger sind übrigens skeptischer als der österreichische Durchschnitt: hier sind 76 Prozent der Meinung, dass es „eher abwärts geht“ und nur fünf Prozent sehen Anzeichen für eine Aufwärtsentwicklung. Dafür sind die Vorarlberger insgesamt positiver gestimmt, was die Wirtschaftslage generell betrifft: 96 Prozent der Vorarlberger sehen die wirtschaftliche Großwetterlage im Bereich „strahlend blauer Himmel“, „sonnig“ und „leicht bewölkt“, österreichweit teilen 89 Prozent der für die Umfrage befragten Menschen diese Einschätzung.
Positive Grundstimmung
Peter Bruckmüller, Geschäftsführer von Spectra, sieht trotz der nach wie vor schwierigen Lage dennoch Licht am Horizont bzw. um in der Barometer-Diktion zu bleiben, mehr Sonne als auch schon. „Die Zuversicht hat sich verbessert, es gibt eine positive Grundstimmung. Es fehlt aber der zündende Funke, damit sich das auf die Konsumlaune auswirkt. Wenn nicht etwas dazwischenkommt, sollte das Konsumklima in den nächsten Monaten ansteigen.“ Positive Signale sendet indes auch das Institut für höhere Studien (IHS) am Donnerstag.
Verhaltener Wachstumspfad
Die heimische Wirtschaft befinde sich nach Rekordinflation und den Verwerfungen infolge des Ukraine-Kriegs in einer konjunkturellen Schwächephase, dürfte diese aber im kommenden Jahr überwinden und auf einen verhaltenen Wachstumspfad zurückkehren. „Die Inflation bleibt hoch, aber mit einer eindeutig fallenden Tendenz“, sagte IHS-Ökonom Helmut Hofer. Heuer rechnet das IHS noch mit einer Inflationsrate von 7,5 Prozent, bis 2027 werde sie aber voraussichtlich auf 2,3 Prozent zurückgehen. Für die Jahre 2024 und 2025 sieht das IHS Zuwächse von 1,4 und 1,5 Prozent.
Trotz steigender Zuversicht: 30 Prozent der Vorarlberger sind sparsamer als sonst, 70 Prozent gewichten ihre Ausgaben nach Priorität. Bundesweit sind es 46 Prozent der befragten Menschen, die mehr sparen als früher, um im Fall der Fälle einen Notgroschen im Geldbeutel zu haben. „Die Konsumenten sind noch verunsichert“, so Bruckmüller.
Wirtschaft kehrt auf verhaltenen Wachstumspfad zurück
Wien Die heimische Wirtschaft befindet sich nach Rekordinflation und den Verwerfungen infolge des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine in einer konjunkturellen Schwächephase, dürfte diese aber im kommenden Jahr überwinden und auf einen verhaltenen Wachstumspfad zurückkehren, erwartet das Institut für Höhere Studien (IHS). “Die Inflation bleibt hoch, aber mit einer eindeutig fallenden Tendenz”, sagte IHS-Ökonom Helmut Hofer.
Heuer rechnet das IHS noch mit einer Inflationsrate von 7,5 Prozent, bis 2027 werde sie aber voraussichtlich auf 2,3 Prozent zurückgehen. Für den Zeitraum 2023 bis 2027 geht das Institut von einer durchschnittlichen Inflationsrate von 3,8 Prozent aus, zeigt die aktuelle Mittelfristprognose, die das IHS am Donnerstag präsentiert hat.
Während die österreichische Wirtschaft dieses Jahr noch stagniert (+0,5 Prozent), werden für die Jahre 2024 und 2025 Zuwächse von 1,4 und 1,5 Prozent gesehen. 2026 und 2027 dürfte sich die Wirtschaftsleistung aber wieder auf jeweils 1,2 Prozent abschwächen. Für den Prognosezeitraum 2023 bis 2027 erwartet das IHS eine Zunahme des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von durchschnittlich 1,2 Prozent pro Jahr. In der 5-Jahres-Periode davor betrug das Wachstum im Schnitt 1,3 Prozent.
Besser als zuletzt werde sich der private Konsum entwickeln. “In den vergangenen fünf Jahren war die Entwicklung des privaten Konsums in Österreich durch die coronabedingten Einschränkungen und die darauffolgenden Aufholeffekte geprägt”, sagte Hofer. Heuer dämpfe die hohe Inflation den Konsum zwar noch, insgesamt gesehen stelle der private Konsum mit einem durchschnittlichen Wachstum von 1,3 Prozent pro Jahr aber eine wesentliche Stütze der Wirtschaft dar.
Positiv sieht das IHS auch den Arbeitsmarkt, wenngleich es umfassende Strategien gegen den steigenden Fachkräftemangel benötige, sagte IHS-Chef Holger Bonin. Ausgehend von 6,5 Prozent 2023 dürfte die Arbeitslosenquote bis 2027 auf 5,8 Prozent sinken. Zugleich dürfte die Beschäftigung um durchschnittlich 0,9 Prozent pro Jahr zulegen. Bei Frauen, Älteren und Personen mit Migrationshintergrund müsse das vorhandene Arbeitskräftepotenzial noch mehr ausgeschöpft werden, etwa durch mehr und bessere Kinderbetreuung und Qualifizierungsoffensiven, so Bonins Appell an die Politik.
Die Prognose des IHS sei mit erheblichen Risiken behaftet. Als einen Punkt nannten die Ökonomen “überschießende Lohnabschlüsse”, die die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen verringern und die Qualität des Wirtschaftsstandorts verschlechtern könnten. Das IHS hat sich den Zusammenhang zwischen Lohnsetzung und Inflation genauer angeschaut und sieht für Österreich zwar nicht die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale. Ein Lohnanstieg um einen Prozentpunkt zieht laut IHS-Berechnungen eine zusätzliche Inflation von 0,5 oder 0,6 Prozentpunkten nach sich. Die Nationalbank gehe hier von nur 0,3 Prozentpunkten aus.
Die Sozialpartner sollten aus Sicht des IHS-Chefs über längere Laufzeiten der Kollektivverträge (derzeit 12 Monate) nachdenken und auch, ob sich die Lohn- und Gehaltsverhandlungen am Verbraucherpreisindex (VPI) oder am BIP-Deflator orientieren sollten. Der BIP-Deflator ist ein Inflationsmaß, das als Quotient aus nominellem und realem (preisbereinigtem) Bruttoinlandsprodukt (BIP) errechnet wird.
Als Ausgangspunkt der KV-Verhandlungen wird derzeit die durchschnittliche Inflation der letzten zwölf Monate herangezogen, zuletzt waren das 8,6 Prozent. Hätte man den BIP-Deflator herangezogen, wären es 4,9 Prozent gewesen. Für die Beschäftigten hätte das einen realen Einkommensverlust bedeutet. Weniger Lohnsteigerung bedeute aber höhere Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit.
Die Oppositionsparteien SPÖ und FPÖ haben die Prognose zum Anlass genommen, um Kritik an der Regierung zu üben. Österreich habe die höchste Teuerungsrate in Westeuropa. Die SPÖ fordert einmal mehr, die Mieten zu senken und die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel auszusetzen, die FPÖ ist für eine Preisbremse, Steuersenkungen auf Grundnahrungsmittel, Energie und Treibstoffe sowie ein sofortiges Aus der Russland-Sanktionen.
“Die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts ist keine Selbstverständlichkeit, sondern wir müssen sie uns erarbeiten”, betonte der Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Karlheinz Kopf, am Donnerstagnachmittag in einer Aussendung. Es gelte “jetzt die Grundlage für Wachstum zu schaffen”. “Dauerhaft hohe Energie- und Rohstoffkosten könnten die Industriekonjunktur bremsen.” Angesichts des Arbeits- und Fachkräftemangels wäre eine allgemeine gesetzliche Arbeitszeitverkürzung kontraproduktiv, hielt Kopf weiters fest. (apa)