Wohin gehen die Zinsen?

Markt / 20.10.2023 • 19:13 Uhr
Wohin gehen die Zinsen?

Wien Der starke Anstieg der Zinsen seit Ende 2021 lässt sich leicht durch die gestiegene Inflation erklären, die die Zentralbanken dazu zwang, die Wirtschaft abzukühlen. Dies scheint in den USA sowie in Europa gelungen zu sein. Die Konjunktur hat sich deutlich eingebremst, die Inflationsraten sind sinkend. Auch wenn sie noch nicht die gewünschte Höhe von zwei Prozent erreicht haben, ist es absehbar, dass dies gelingen kann. Deshalb erwarten auch viele, dass die Zinserhöhungen ihr Ende erreicht haben, 2024 wird sogar mit Senkungen gerechnet.

Damit stellt sich die Frage, wie stark die Zinsen wieder sinken werden und welches Zinsniveau wir in den nächsten Jahren erreichen. Der Finanzmarkt bildet sich dazu seine Meinung und diese kann man messen und auch „kaufen“. Bei langfristigen Veranlagungen in Staatsanleihen entsprechen die Zinsen, die Investoren dafür bekommen, im Wesentlichen den Erwartungen über die kurzfristigen Zinsen in den nächsten Jahren.

Diese Erwartungen, d.h. die Zinsen für etwa zehn Jahre laufende deutsche oder österreichische Staatsanleihen sind in den letzten Wochen deutlich gestiegen. Obwohl der Zeitpunkt möglicher Zinssenkungen näher rückt, sind die langfristigen Zinsen gestiegen.

Die langfristigen Zinsen sind dabei von zwei Faktoren abhängig – den Erwartungen über die künftige Inflation sowie der künftigen Realzinsen plus einer Prämie für die Unsicherheit, also bezüglich der Zinsen, die Investoren erwarten plus der Unsicherheit darüber abzüglich der Inflation. Beim Anstieg der langfristigen Zinsen – am Beispiel von deutschen Staatsanleihen – seit Ende 2021 von über 3 Prozentpunkten spielte die gestiegene Inflationserwartung mit rund 0,5 Prozentpunkten kaum eine Rolle. Entscheidend war der Anstieg der Realzinsen von 2,5 Prozentpunkten. Gleiches gilt für die USA. Welche Auswirkungen so hohe Realzinsen im Endeffekt haben werden, oder ob der Finanzmarkt derzeit nur unsicher ist, wo die Reise bei den Zinsen hingehen wird, werden wir sehen, jedenfalls bedeutet dies eine deutliche Belastung für Schuldner, allen voran die Staaten.

stefan.bruckbauer@unicreditgroup.at, Stefan Bruckbauer, Chefvolkswirt der Bank Austria Unicredit, Economics & Market Analyses