Martin Ohneberg

Kommentar

Martin Ohneberg

Wer soll sich das noch antun?

Markt / 30.01.2024 • 17:30 Uhr

Politik ist kein Beruf wie jeder andere. Die Bevölkerung, für die man ja eigentlich arbeitet, ist ohnehin nicht zufriedenzustellen; die Medien, die einen kontrollieren sollten, warten nur darauf, unglücklich gewählte Aussagen auszuschlachten; die als Minderheitenrechte konstituierten Untersuchungsausschüsse ähneln oftmals eher öffentlichen „Hinrichtungen“; die Koalitionspartner, die mitgestalten und Entscheidungen treffen sollten, handeln weniger als Partner denn als Saboteure, und von der Opposition ist ohnehin wenig konstruktive Zusammenarbeit zu erwarten.
Diese Gegebenheiten geben im Vorfeld eines Superwahljahrs durchaus zu denken. Vor allem, wenn man bedenkt, welche tiefgreifenden Weichenstellungen in den nächsten Jahren notwendig sein werden und wie destruktiv das politische Umfeld leider oftmals ist. Dabei der Politik allein die Schuld zu geben, wäre falsch – Bevölkerung und Medien spielen eine große Rolle. Der Politik hier aber keine Verantwortung zukommen zu lassen, wäre ebenso falsch. Das beginnt schon mit der Auswahl des politischen Personals.

In der Privatwirtschaft werden unter den Bewerbungen – ganz im Interesse des Unternehmens – die Besten unter ihnen eingestellt. Wer gut ist, kommt auch weiter und wird befördert; wer „schlecht“ ist, wird irgendwann ins „Abseits“ gestellt. Ein leistungsorientiertes System also, das Engagement und Innovation belohnt und fördert.

Wer gut ist, kommt auch weiter und wird befördert; wer ,schlecht‘ ist, wird irgendwann ins ,Abseits‘ gestellt.“

Die Politik funktioniert gänzlich anders. Leider. Welche Qualitäten man hat, ist erst mal nicht so wichtig. Viel wichtiger ist, aus welchem Bezirk, aus welcher Teilorganisation man stammt, welches Geschlecht man hat oder aus welcher politischen Ecke in der Partei man kommt. Auf persönliche oder inhaltliche Fähigkeiten wird erst dann wertgelegt, wenn die zuvor genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Und zu talentiert und charismatisch sollte ein neuer Einsteiger dann auch nicht sein, schließlich könnte er oder sie ja innerparteilich gefährlich werden. Das macht den Pool an guten Leuten schnell sehr klein. Das Ergebnis: Oftmals kommen nicht die Besten zum Zug. Talentierte Leute sehen dieses Minenfeld und denken sich zurecht: Will ich mir das wirklich antun?

Um das zu ändern, müsste sich nicht nur von medialer Seite und in der Wahrnehmung der Bevölkerung etwas tun, sondern auch innerhalb der Politik. Schließlich ist die Politik die einzige Berufsgruppe, die den Berufsstand selbst schlecht redet. Und bei vielen Entscheidungen lässt sich – quer über alle Parteien – zweifellos ein Fokus auf Parteitaktik oder Ideologie erkennen, nicht aber auf qualitativ gute und richtige Entscheidungen. Wenn sich das einmal ändert, tun sich die Parteien auch leichter, frisches und gutes Personal zu finden. Zu wünschen wär’s uns.

Martin Ohneberg ist CEO der HENN Industrial Group, früherer IV-Präsident und sitzt im Aufsichtsrat mehrerer Unternehmen.