Weshalb AMS-Chefin Petra Draxl die 32-Stunden-Woche kritisch sieht

Petra Draxl ist die erste Frau an der Spitze des Arbeitsmarktservice. Beim VN-Interview sprach sie über Frauen im Beruf, Arbeitskräftemangel und 32-Stunden-Woche
Schwarzach Die Steirerin Petra Draxl ist seit sieben Monaten zusammen mit Johannes Kopf im Vorstand des Arbeitsmarktservice. Bis 2030 bestellt, ist sie die erste Frau in dieser Managementfunktion im AMS. Und schon deshalb bemerkenswert. Vor kurzem absolvierte sie ihren Antrittsbesuch in Vorarlberg und nutzte ihren Aufenthalt, um die verschiedenen Qualifizierungsmaßnahmen und Ausbildungsstätten zu besuchen sowie sich den Mitarbeitern vorzustellen und ihren Fragen zu stellen. Diesen stellte sie sich auch beim Besuch in der VN-Redaktion. In Gespräch zeigt sie Pragmatismus, gerade in Fragen wie Gleichstellung, Demographie und Beschäftigung oder auch bei weiteren ideologischen Themen wie der 32-Stunden-Woche.

Frauen, Karriere, Berufstätigkeit: Also wir sind einfach ein sehr traditionelles Land, wo die Frauen zuständig sind für die Betreuung der Kinder und da meine ich nicht nur Kleinkinder. Ich halte Frauen für gleich ehrgeizig, Frauen können das Gleiche, Frauen sind auch zielstrebig. Es kommt hier aber zu stärkeren Brüchen in ihren Karrieren. Das, glaube ich, ist nach wie vor ein, ein hinderlicher Faktor. Insofern bin ich froh über jeden Tag und jede Sekunde, wo in Österreich Kinderbetreuungsplätze entstehen, wo Ganztagsschulplätze entstehen, wo die Kinder dort essenstechnisch versorgt sind. Also ich glaube, da müssen wir uns in eine Gesellschaft wie z. B. in Skandinavien bewegen, damit Frauen und Männer die gleichen Chancen am Arbeitsmarkt haben. Die Frauen sind ein Arbeitskräftepotenzial, das wir einfach ausschöpfen müssen. Das wird uns nur gelingen, wenn wir zu entsprechenden Arbeitszeit-Modellen kommen. Und wo sichergestellt sein muss, dass die Kinder betreut werden, also de facto geht es um Ganztagsschulsysteme. Und da muss ich schon sagen – ich bin ich seit über 30 Jahren in der Arbeitsmarktpolitik tätig – das geht mühsam voran. Mir ist auch wichtig ist zu sagen, dass die Frage der Kinderbetreuung eine regionalpolitische Frage ist. Frauen werden perspektivisch nicht mehr im ländlichen Raum leben wollen, wenn sie hier nicht eine ähnliche Struktur wie in städtischen Räumen vorfinden.
Arbeitskräftemangel, Demografie, Potenzial: Wir müssen das inländische Arbeitskräftepotenzial heben. Ja, da haben wir einen Bedarf. Dass jetzt die Frauen auch mit 65 im Pensionsalter sind, finde ich positiv. Das ist ein positiver Schritt und ein Schritt zur Bekämpfung der Altersarmut. Das sehen wir überall dort, wo es das gibt. Das hebt die Frauenbeschäftigungsquote, das ist ein Potenzial, das es gilt positiv zu nutzen Zum inländische Arbeitskräftepotenzial gehören natürlich auch geflüchtete Menschen, die bei uns sind. Das gibt bei zwei Dingen anzusetzen. Wir diskutieren schon lange darüber, was erwarten wir uns für Verpflichtungen. Da sind wir sehr ambivalent. Wir wollen einerseits, dass Menschen selber für ihr Einkommen sorgen, gleichzeitig lassen wir diese Menschen nicht arbeiten. Wir als AMS sind viel stärker Anhänger davon, zu sagen, ja, lassen wir sie auch arbeiten ab dem ersten Tag. Aber verquicken wir nicht das Arbeiten mit der Frage, ob die Flüchtlinge im Land bleiben dürfen. Ich sage, nein. Das Verfahren ist das eine. Lasst uns rasche Verfahren machen. Wir brauchen hier natürlich Formen, dass wir einen guten geregelten Zuzug haben. Aber wenn jetzt schon jemand da ist, dann soll er auch beitragen zu seinem Lebensunterhalt. Die Menschen wollen oft mehr arbeiten, aber wir lassen sie nicht wirklich dort arbeiten, wo wir den Bedarf haben. Die Verfahren soll man rasch abwickeln. Das ist das eine. Das zweite ist, dass es für diese Zeiten Vollzeitbildungsmaßnahmen gibt. Diese Menschen müssen wirklich 35 Stunden in einem Angebot des AMS sitzen.
32 Stunden-Woche: Ich finde es positiv, wenn Firmen inzwischen unterschiedliche Arbeitszeitmodelle anbieten und wenn sie von sich aus sagen, sie schaffen es, Arbeitszeit zu reduzieren. Auch wir im AMS arbeiten nicht 40 Stunden jetzt im AMS, auch in der Pflege haben sie das nicht mehr. Ich bin nur wirklich eine Gegnerin davon, zu sagen, wir brechen das für alle über das Knie. Da muss man wirklich sagen, dass das den Arbeitskräftebedarf in einigen Branchen massiv verschärfen würde. Aber wir reden ja hier von Branchen, die staatlich bestimmt sind. Also wenn der Staat das wirklich machen will, könnte er es eh machen. In der Pflege haben wir jetzt 36 Stunden. Aber reduzieren sie diese 36 Stunden auf 32 Stunden. Woher nehmen wir das Geld für diese Kräfte? Und die Kräfte auszubilden, dauert auch Zeit. Wir wissen, dass man in Österreich im Durchschnitt weniger als 35 Stunden, wir liegen eher um die 30 Stunden. Da muss man schon ehrlich sagen, dass es gar nicht um die Arbeitszeitreduktion geht, sondern um eine Erhöhung des Einkommens. Das das finde ich, ist auch eine legitime Diskussion. Aber man muss sich schon beide Facetten ein bisschen anschauen, nämlich, sowohl was würde es an Arbeitskräfte bedingen und was heißt das bei den Löhnen. Ist das auch ökonomisch im internationalen Wettbewerb für ein Land tragbar. Und darum bin ich da viel zurückhaltender.
Zur Person
Petra Draxl
Vorstand des Arbeitsmarktservice Österreich
Geboren 1960
Ausbildung Doppelstudium Pädagogik/Psychologie/Soziologie und Psychologie/Neurologie an der Karl-Franzens-Universität in Graz
Laufbahn Tätigkeiten an der Kinderklinik Graz und Lehraufträgen an der Universität, Leitung des Jugendbeschäftigungsprojekts Insel in Graz, selbständige Beraterin (Arbeits- und Beschäftigungspolitk), beim Arbeitsmarktservice Österreich und bei einem Studienaufenthalt bei der EU-Kommission in Brüssel. Selbständige Projektleiterin und Beraterin in Österreich, in der Schweiz, Ungarn, Polen, Tschechien, Kroatien, Bulgarien und Serbien tätig. 1999 übernahm sie die Geschäftsführung in der ÖSB Unternehmensberatung, Abteilungsleiterin für den Europäischen Sozialfonds, den Europäischen Globalisierungsfonds und das OECD Leedprogramm im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Landesgeschäftsführerin des Arbeitsmarktservice Wien