Stillstand bedeutet Rückschritt

Immer wieder höre ich, dass die Lebensqualität in Vorarlberg so hoch ist und sich daher ja nichts ändern soll. Diesen Standard zu halten und der nächsten Generation weiterzugeben, scheint für viele das Ziel zu sein. Vom Ausbau des Wohlstands ist weniger die Rede. Der Status quo ist schließlich angenehm, gesamtgesellschaftlich betrachtet geht es uns gut und man weiß, worauf man sich einlässt.
Doch wann begreifen wir endlich, dass die Vorarlberger Tradition die Veränderung ist? Nicht alles muss bleiben, wie es war. Und auch wenn wir historisch betrachtet ein eher sehr konservatives Volk sind, haben wir doch ständig in der Veränderung gelebt. Vorarlberg hat sich von einem ärmlichen, landwirtschaftlich geprägten Bundesland zu einer Textilhochburg und anschließend zu einem diversifizierten, starken Industrieland entwickelt. Auch die Bevölkerung hat sich seit den 50ern mehr als verdoppelt, was eine maßgebliche Änderung der gesellschaftlichen Struktur in Richtung Urbanisierung bedeutet.
Genau diese Veränderung, die Dynamik in unserem Ländle und um den gesamten Bodenseeraum, hat uns zu unserem heutigen Wohlstand gebracht. Warum tun wir also so, als ob wir um jeden Preis den aktuellen Status quo halten wollen? Immer größere Bewegungen wehren sich gegen Infrastrukturprojekte, sie wollen keine Betriebsansiedlungen mehr (oder wollen sie, nur nicht in der eigenen Nachbarschaft) und stellen grundsätzlich Wachstum infrage. Doch genau in dieser grundsätzlichen Wachstumskritik fußt die Gefahr für unseren Wohlstand: Zu glauben, dass, wenn wir alles genau so lassen wie es ist, es auch genauso bleibt.
„Der große Fehler der Wachstumskritiker ist, zu glauben, dass Wachstum mit Schornsteinen, Bodenversiegelung und Umweltverschmutzung verbunden ist.“
Stillstand bedeutet Rückschritt. Denn die Welt um uns herum schläft nicht, und wenn wir uns nicht ständig weiterentwickeln und mit dieser Entwicklung wachsen, sind wir schneller als wir denken, nicht mehr konkurrenzfähig. Der große Fehler der Wachstumskritiker ist, zu glauben, dass Wachstum mit Schornsteinen, Bodenversiegelung und Umweltverschmutzung verbunden ist. Wachstum kann aber auch mit innovativen Lösungen gelingen, die Sicherheit, Wohlstand und Nachhaltigkeit schaffen. Hin und wieder würde ich mir weniger Ideologie und mehr Pragmatismus wünschen, damit auch unsere nächsten Generationen den Wohlstand vorfinden können, den wir genossen haben.
Martin Ohneberg ist CEO der HENN Industrial Group, früherer IV-Präsident und sitzt im Aufsichtsrat mehrerer Unternehmen.