„Ich liebe es, ganz, ganz leise zu singen“
Ute Lemper über ihr neues Album „Rendezvous With Marlene“ und ihre Beziehung zu Marlene Dietrich.
New York Eigentlich wollte Ute Lemper in diesem Sommer wieder in der alten Heimat sein und auf großen Festivals auftreten. Nun muss auch die international renommierte deutsche Chanson-, Jazz- und Musicalsängerin zu ihrem neuen Album „Rendezvous With Marlene“ Skype-Interviews aus dem Homeoffice geben.
Sie befinden sich mit Ihrer Familie in einem Epizentrum der Corona-pandemie. Wie geht es Ihnen in New York?
Lemper Die Stadt ist sehr still. Aber es ist zugleich gruselig. Besorgniserregend ist auch, dass es in Amerika nun noch verstärkt eine andere Krankheit neben der Pandemie gibt: Arbeitslosigkeit und Armut. Das Kulturleben ist zusammengebrochen – keine Ahnung, wann das alles wieder geöffnet wird.
Sie leben schon lange in den USA. Sind Sie eigentlich inzwischen Amerikanerin, und empfinden Sie das Land als Ihre Heimat?
Lemper Ich habe meine Green Card seit 1993, als ich meinen ersten Mann geheiratet habe, der Amerikaner war. Meine vier Kinder haben alle eine doppelte Staatsbürgerschaft – die deutsche und die amerikanische. Ich selbst wollte nie den amerikanischen Pass haben. Ich liebe New York, aber ich fühle mich nicht als Amerikanerin, sondern als Europäerin. Und Gott sei Dank führen mich meine Tourneen auch immer wieder nach Europa.
Sie gelten hier bei vielen als Musical-sängerin. Passt das überhaupt noch?
Lemper Ach, das ist über 20 Jahre her. Das Genre passte damals ja ganz gut zu mir, weil ich eine Gesangs-, Tanz- und Schauspielausbildung hatte und im Musical alles gleichzeitig machen konnte. Aber das war nie mein Zuhause, der Begriff Musicalsängerin nervt mich eher. Viel mehr liebe ich die Freiheit des Jazz oder auch der Sprechstimme. Aber egal – mit solchen Schubladen bin ich ja jetzt schon Jahrzehnte umgegangen.
Mit „Rendezvous…“ erweisen Sie nun einer Künstlerin Ihre Reverenz, mit der Sie früher oft verglichen wurden, etwa als „die Marlene aus Münster“. Wie kam es zu dem Projekt?
Lemper Die CD ist natürlich eine Hommage an Marlene, aber überhaupt keine Imitation, sondern von vorne bis hinten Ute Lemper. Das Album wurde sehr organisch und homogen produziert, eigentlich wie auf der Bühne. Ich habe bewusst „kleiner“ gesungen, gar nicht im Broadway-Stil. Denn je älter ich werde, desto mehr liebe ich es, ganz ganz leise zu singen. Diese Lieder sind daher sehr pur, sehr intim.
War der Ursprung dieses Albums tatsächlich ein langes Telefongespräch, das Sie vor über 30 Jahren mit Marlene Dietrich geführt haben?
Lemper Ja, wegen dieses Gesprächs fühle ich eine bestimmte Kenntnis von Marlene. Ich habe das Beben in ihrer Stimme gehört, die Melancholie. Das war 1988, da hatte man natürlich kein iPhone, mit dem man so etwas aufzeichnen kann. Insofern habe ich davon jetzt nur noch meine Erinnerung. dpa