“Es ist eine wilde Fahrt gewesen”
Lena Meyer-Landrut spricht über die Zeit nach dem Eurovision-Sieg und erklärt, warum sie kurz anhalten musste.
berlin Am 29. Mai 2010 hat die damals 19-jährige Deutsche Lena Meyer-Landrut mit ihrem Popsong „Satellite“ und ihrem unbekümmerten Lachen ganz Europa verzaubert und völlig überraschend den Eurovision Song Contest gewonnen. Im dpa-Interview erzählt die Sängerin, warum einige sie heute noch als Zicke abstempeln und sich Medien so sehr auf ihr Privatleben stürzen.
Zehn Jahre ist der Sieg nun her. Ist die Zeit für Sie schnell oder langsam rumgegangen?
Meyer-Landrut Irgendwie beides. Manchmal habe ich das Gefühl, dass es wahnsinnig schnell gegangen ist. Ein Augenschlag und schon sind zehn Jahre vorbei. Wenn ich das so ausspreche, ist das vollkommen irre. Auf der anderen Seite fühlt es sich an wie in einem früheren Leben. Weil einfach so viel passiert ist. Es ist eine wilde Fahrt gewesen bis jetzt.
Danach ging es Schlag auf Schlag mit Interviews, Empfängen, Videodrehs und Plattenaufnahmen. Wann haben Sie das alles eigentlich realisiert?
Meyer-Landrut Relativ spät. Sehr, sehr viele Jahre danach erst.
Und in der Zwischenzeit? Haben Sie alles mitgemacht mit einer gewissen Passivität?
Meyer-Landrut Passivität würde ich gar nicht sagen. Ich habe immer gesagt, was sich für mich gut oder schlecht anfühlt. Aber ich war trotzdem unwissend. Ich habe viele Sachen mitgemacht, von denen ich noch keine Ahnung hatte. Ich hatte vorher ja noch nie Musik gemacht. Ich war auch viel zu beschäftigt und hatte überhaupt keine Kapazität und Zeit, Dinge aufzunehmen und zu lernen. Darum hat es auch so lange gedauert, bis ich den Schalter umlegen konnte.
Wann war das?
Meyer-Landrut Das war erst 2017, als ich mein Album abgesagt und meine Tour abgebrochen habe. Das war für mich ein absoluter Wendepunkt. Da habe ich mir Zeit genommen, um zu reflektieren.
Sie sagen heute, Sie hätten sich nach dem ESC-Sieg verändert, eine Schutzmauer aufgezogen, niemanden mehr richtig an Sie herangelassen. Wie bewusst war Ihnen das damals oder dachten Sie: Ich bin so wie immer?
Meyer-Landrut Ich dachte, ich wäre so wie immer. Ich habe das nicht bemerkt. Das war einfach eine Reaktion auf Dinge, die mir passiert sind und über die ich nicht nachdenken konnte. Ich habe nur noch reagiert, reagiert, reagiert.
Die öffentliche Meinung hat sich dadurch aber verändert. Sie wurden teilweise als zickig und arrogant beschrieben. Wie sehr hat Sie das verletzt?
Meyer-Landrut Das hat mich schon verletzt, ich habe es auch gar nicht verstanden. Das ist erst geschehen, als ich später verstanden habe, was mit mir passiert ist. Erst dann konnte ich es einordnen.
Aber dieses Image haben einige bis heute noch von Ihnen, oder?
Meyer-Landrut Ja, das ist definitiv so. Ich finde das auch krass. Klar, ich hatte eine Phase, in der ich komisch drauf war. Aber das Gefühl habe ich seit einigen Jahren nicht mehr. Ich bin auf jeden Fall wieder mehr ich selbst. Aber ich merke, dass es sehr viel länger dauert, Sachen wieder gutzumachen, als Sachen kaputt zu machen. Einmal was Doofes gesagt und es dauert lange, das wieder umzudrehen. Weil die negativen Sachen meistens lauter sind als die positiven.
Sie haben von Anfang an Ihr Privatleben geschützt. Wie froh sind Sie darüber und war das eine bewusste Entscheidung?
Meyer-Landrut Ich bin sehr froh, dass ich das von Anfang an gemacht habe. Das habe ich auch bewusst so entschieden, auch wenn die Idee von Stefan (Raab) kam. Der macht das ja auch sehr erfolgreich. Ich habe aber einen anderen Ansatz. Ich nutze die sozialen Medien und zeige mich dort privater als jetzt Stefan oder Herbert Grönemeyer. Ich bin auch eine andere Generation. Prinzipiell bin ich froh, dass ich verinnerlicht habe, mein Privates zu schützen, gerade in Zeiten sozialer Medien.
Einige Medien interessieren sich dennoch sehr für Ihr Privatleben. Woher kommt das Interesse Ihrer Meinung nach?
Meyer-Landrut Ich kann mir vorstellen, dass es gerade deshalb so ist, weil ich in sozialen Medien private Einblicke gebe und dort gefühlt verfügbar bin. Ich hätte vielleicht noch die Möglichkeit, wenn ich mich komplett von sozialen Medien verabschieden würde. Das wäre ein klareres Signal, dass ich mein Privatleben schütze. Aber so kämpfe ich einfach weiter dafür, dass meine Privatsphäre meine Privatsphäre bleibt.
Wie der frühe ESC-Sieg für Sie im Rückblick?
Meyer-Landrut Ein absoluter Segen. Ich habe dieses privilegierte und freie Leben auch wegen des ESC und bin dankbar dafür.
„Ich habe viele Sachen mitgemacht, von denen ich noch keine Ahnung hatte.“
Zur Person
Lena Meyer-Landrut
Geboren 23. Mai 1991 in Hannover
Laufbahn ging 2010 aus Stefan Raabs ESC-Castingshow „Unser Song für Oslo“ als Siegerin hervor. Wenige Monate später gewann sie den Gesangswettbewerb mit dem Song „Satellite“. Heute gehört sie zu den erfolgreichsten Popsängerinnen Deutschlands, hat rund 3,4 Millionen Follower bei Instagram und ist in TV-Shows wie „The Voice Kids“ zu sehen.