„Ich hatte sehr viel Glück im Leben“

Ulrich Tukur über Trauer, seinen Umzug von Venedig nach Berlin und schwäbische Wurzeln.
Berlin Seine Auftritte als „Tatort“-Kommissar Felix Murot sind jedes Mal ein Ereignis: Ulrich Tukur gehört zu Deutschlands renommiertesten Schauspielern und macht aus jeder Rolle ein Kabinettstück. Im Fernsehfilm „Meeresleuchten“ (heute, 20.15 Uhr, ARD) spielt er jetzt einen erfolgreichen Geschäftsmann, der den Tod seiner Tochter bei einem Flugzeugabsturz nicht verkraftet.
Herr Tukur, Ihr neuer Film „Meeresleuchten“ dreht sich um das Thema Trauer. Wie soll man dereinst mal um Sie trauern?
Tukur Erst neulich habe ich mich mit Freunden darüber unterhalten, wo und wie man uns dereinst verscharren soll. Ich konnte es nicht sagen. Nur will ich mich auf keinen Fall verbrennen lassen. Ich habe einen solchen Vorgang einmal beobachtet und fand ihn infernalisch. Ich schiebe also den Gedanken erst mal von mir, auch wenn er drohend am Horizont steht. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Ich hätte schon gern, dass alle Menschen am Boden zerstört sind, wenn ich tot bin (lacht).
Auch Umzüge können Trauer auslösen, weil man Vertrautes verliert. War das bei Ihrem Umzug von Venedig nach Berlin so?
Tukur Ja, ein bisschen schon. Wir haben 20 Jahre in Venedig gelebt, am Ende aber hatte ich das Gefühl, dass unsere Zeit dort vorbei war. Als wir dann die Wohnung verkauft hatten und tatsächlich unsere Freunde und diese herrliche Stadt verließen und nach Berlin kamen, kriegte ich einen Schreck: Oh Gott, war das jetzt der richtige Schritt? Dann kam das Heimweh. Ich bin jetzt ein Jahr hier, aber immer noch nicht wirklich angekommen. Ich fremdele ein wenig mit Berlin, mit meinem Vaterland, im Gegensatz zu meiner Frau, die sich schnell mit der Stadt verbunden hat.
Der Protagonist des Films bricht alle Brücken hinter sich ab und beginnt ein völlig neues Leben. Haben Sie sich auch schon gefragt, ob Ihr Leben ganz anders aussehen könnte?
Tukur Ja, natürlich, aber ich hadere nicht mit meinem Leben, ich hatte wirklich sehr viel Glück. Ich habe tolle Dinge machen können, ich habe interessante Menschen kennengelernt, ich habe an den schönsten Orten der Welt gelebt. Ich habe nicht den geringsten Anlass, unzufrieden zu sein. Aber nach fast 90 Filmen und den vielen Jahren am Theater, denke ich manchmal: Eigentlich ist die Arbeit getan. Was mache ich denn jetzt noch? In 16 Jahren werde ich 80. Soll ich mich noch einmal neu aufstellen, und wenn, was könnte das sein?
Wie geht es Ihnen denn in der Corona-Zeit?
Tukur Mein Immunsystem ist top, ich bin bisher gesund geblieben, ohne übertrieben vorsichtig zu sein. Am Anfang habe ich diese Auszeit tatsächlich genossen, weil ich einmal anhalten konnte, und es war gut, tagelang nichts zu tun zu haben. Aber dann wurde es irgendwann merkwürdig, immer unwirklicher, weil diese allgegenwärtige Paralyse einfach nicht mehr aufhörte. Inzwischen fühlt es sich an wie ein in Watte gepackter Albtraum.
Aber Sie haben doch trotz der Pandemie einige Filme gedreht?
Tukur Ja, ich hatte ein Riesenglück. Nicht als Musiker, alle Konzerte sind abgesagt; wir können froh sein, wenn wir im Sommer wieder auftreten können. Für meine Band „Rhythmus Boys“ ist das katastrophal. Aber ich konnte in dieser Pandemie vier Filme hintereinander drehen. Nur ist jetzt auf einmal scheinbar Schluss. Alle sind in Wartestellung, niemand weiß, wie es weitergeht.
Sie haben bekanntlich schwäbische Wurzeln. Gibt es irgendetwas an Ihnen, das typisch schwäbisch ist?
Tukur Ich bin nicht geizig, aber vorsichtig, und wenn ich heute Geld mit vollen Händen ausgebe, spare ich morgen an ganz idiotischen Ecken. Ich habe zum Beispiel ein Problem damit, dass meine norddeutsche Frau immer alle Lichter andreht in der Wohnung – ich lösche das Licht, wenn ich ein Zimmer verlasse. Mir tut die Glühbirne leid, die für niemanden brennt. Vielleicht ist das typisch schwäbisch. SKI
Zur Person
Ulrich Tukur
einer der renommiertesten Schauspieler Deutschlands
Geboren 1957 in Viernheim
Ausbildung Schauspielstudium in Stuttgart
Filme, Serien „Die weiße Rose“ (Filmdebüt 1982), „Das Leben der Anderen“ (Oscar-dekoriert); seit 2010 „Tatort“-Kommissar
Bücher mehrere Bücher, darunter „Der Ursprung der Welt“.
Musik mit der Band „Ulrich Tukur und die Rhythmus Boys“ erfolgreich
Familie in 2. Ehe verheiratet