Etikette royal

Untadeliges Verhalten erwartet man nicht nur von den Royals, sondern auch von den Gästen, die im Palast empfangen werden.
Doch der adelige Knigge ist gar nicht so leicht zu durchschauen. Daher bin ich froh, dass mich der Hofmarschall am dänischen Königshof in Kopenhagen in einem Vier-Augen-Gespräch ins Hofzeremoniell einweist. Eindringlich warnt er: „Wenn Ihre Majestät, Königin Margrethe II., den Raum betritt, geben Sie ihr auf gar keinen Fall die Hand zur Begrüßung.“ Die Tür öffnet sich und herein schreitet Ihre Majestät. Und was tut sie? Sie streckt mir ihre Hand entgegen. Sie merkt mein Zögern und sagt lachend: „War der verehrte Hofmarschall etwas übereifrig!“
Nicht ganz so locker gestaltet sich mein Interview mit Scheich Faisal bin Khalid bin Sultan al Qasimi von Dubai, der auf Besuch in Bregenz weilt. Gleich zu Beginn gibt es eine Schwierigkeit. Seine Hoheit lässt sich nicht von einer Frau interviewen. Als ich dann doch die Zusage bekomme, erhalte ich ständig neue Instruktionen, wie ich mich, die Journalistin bürgerlicher Herkunft, gegenüber Seiner Hoheit zu verhalten habe. Schwarze Kleidung ist Vorschrift. Beim Interview hat der Blick zu Boden gerichtet sein. Verstoße ich gegen eine dieser Regeln, wird das Interview abgebrochen. Wenn man sozialisiert ist, seinem Gegenüber ins Auge zu blicken und dann auf einen grauen Betonboden starren muss – verlangt das einem höchste Konzentration ab.
Als Seine Hoheit von oben herab und zu mir hinunter über schwierige Regierungsgeschäfte erzählt, erblicke ich an seinem linken Handgelenk seine Armbanduhr. Dieses Uhrenmodell ziert auch mein Handgelenk. Und schon höre ich mich sagen, dass wir beide offenbar einen ausgezeichneten Geschmack haben, was sich an unserer Uhr offenbart. Ich verstehe kein Wort, was seine Hoheit seinem Adjutanten aufgeregt ins Ohr schreit.
Das Interview endet abrupt. Sehr wahrscheinlich auch seine Freude am Chronometer, den sich auch die Journalistin bürgerlicher Herkunft leisten kann.
„Schwarze Kleidung ist Vorschrift. Beim Interview hat der Blick zu Boden gerichtet sein.“

Lisbeth Bischoff ist Adelsexpertin und lebt in Dornbirn