Schreiben als inneres Bedürfnis

In ihrer Kindheit war die Autorin gerne in den Bergen unterwegs.
Nadine Poscoleri-Kegele setzt sich vorwiegend mit sozialen Themen auseinander.
BLUDENZ, WIEN Bücher hatten für Nadine Poscoleri-Kegele schon in der Kindheit eine besondere Anziehungskraft: „Von Büchern war ich früh fasziniert, zunächst haptisch, als ich noch nicht mal lesen konnte. Bücher waren jedenfalls wie eine Kiste, die ich nicht öffnen konnte, voll erwarteter Schätze. Als ich dann lesen konnte, habe ich die Schätze geborgen und wurde nicht enttäuscht.“ Sie habe sich zu jedem Anlass Bücher gewünscht, denn zu Hause gab es kaum welche. Als sehr prägend für sie erwies sich ein Besuch des Märchenautors Folke Tegetthoff an der Hauptschule Innerbraz: „Aber auch Vorarlberger Sagen, die die Lehrerin in der Volksschule vorgelesen hat, haben mich verzaubert. In der Schule wurde mir nicht nur das Lesen beigebracht, sondern mich auch in den Kontakt mit Büchern gebracht.“ Das erste Erwachsenenbuch, das sie las, war „Schlafes Bruder“.
Tagebücher
Jahrelang hat die sozialkritische Autorin Tagebuch geführt: „Zeitenweise sogar in Geheimschrift, weil mitgelesen wurde. Aber das Tagebuchschreiben kann man nicht mit literarischem Schreiben oder mit Geschichtenschreiben vergleichen. Das war Verarbeitung von psychischen Ausnahmesituationen durch schriftliches Besprechen mit einer fiktiven Freundin. Die Aufsätze, die wir in der Schule schreiben mussten, waren da eher etwas, wo ich gemerkt habe, wie gern ich erfinde – und dass ich das kann. Anderen fiel partout nichts ein. Mir war das unerklärlich. Ich hatte eher das gegenteilige Problem: zu viele Einfälle für zu kurze Zeit.“
Ihre Kindheit verbrachte sie in Brand, Schruns und Dalaas. Bereits mit 17 Jahren zog sie aus der elterlichen Wohnung aus, mit 18 verlegte sie ihren Lebensmittelpunkt nach Wien: „Mittlerweile lebe ich schon länger in Wien als ich in Vorarlberg gelebt habe. Aber die Gegend, die Sprache, die Erinnerungen an die ersten Jahre sind ja prägend. Das wirft man nicht einfach ab. Mit meinem Kind rede ich Vorarlbergerisch, damit es den Dialekt auch irgendwann sprechen und verstehen kann.“ Die Anonymität der Großstadt empfindet sie als Erleichterung.
Spätzünderin
Schreiben war und ist für die umtriebige Schriftstellerin ein ganz inneres Bedürfnis, ein Drang: „Wobei man sich meine ersten Jahre als Schreibende nicht sehr professionell vorstellen darf, und sowieso nicht frei von Klischee. Mit immer mehr Lektüre und immer mehr Verwerfen und Finden des eigenen Tons bin ich heute dorthin gekommen, wo ich mich auf eine Art sicher fühle und professionell. Aber es war schon ein längerer Weg, denke ich, als es wohl bei bildungsbürgerlichen Schriftstellern gewesen sein muss.“ In den ersten Jahren habe sie nur abends geschrieben, neben einem Vollzeitberuf. Während des Studiums folgten dann erste Erfahrungen in Schreibgruppen und Schreibkursen: „Aber auch mit dem Wissensvorsprung, wichtiger vielleicht aber auch der Selbstvertrauensvorsprung von Leuten aus Akademikerfamilien. Die haben sich das einfach so zugetraut. Als hätte die Literatur nur auf sie gewartet. Ich war, so könnte man vielleicht sagen, eine dem Milieu geschuldete Spätzünderin.“ Die erste literarische Veröffentlichung erfolgte in einer kleinen Literaturzeitschrift: „Ich war so stolz, dass ich dachte, alle auf der Straße müssten bemerken, dass ich ein bisschen berühmt bin. Aus heutiger Sicht absurd, aber auch witzig. Mein erstes Buch hat sich zwar auch besonders angefühlt, aber lange nicht mehr so erhebend. Spannend ist jede Veröffentlichung.“ Mittlerweile gehöre eine gewisse Routine dazu.
Musikalisch begleitet
Ihre Lesungen gestaltet sie kurzweilig: „Ich begleite meine literarischen Konzerte auf der Ukulele. Meine Texte vorgelesen habe ich schon in der Schule gern. Das ist mir bis heute geblieben.“ BI
„Meine eigenen Texte habe ich schon in der Schule gern vorgelesen.“

Die Autorin mit Vorarlberger Wurzeln lebt heute in Wien.


Zur Person
NADINE POSCOLERI-KEGELE
Geboren 1980
Familie verpartnert, ein Kind (8 Monate)
Wohnort Wien/Bludenz
Beruflicher Werdegang Lehre zur Bürokauffrau, Abendschule (Zweiter Bildungsweg: Studienberechtigungsprüfung), Studium der Germanistik, Theaterwissenschaft und Gender Studies, daneben Lohnarbeit als Nachtsekretärin, freie Schriftstellerin seit 2014 sowie Kursleiterin für Basisbildung, Deutsch als Zweitsprache und Erstschrifterwerb bei der Volkshochschule
Veröffentlichungen Annalieder (2013), Bei Schlechtwetter bleiben Eidechsen zu Hause (2014), Lieben muss man unfrisiert. Protokolle nach Tonband (2017), Blaue Augen zum Selbermachen. Zahlreiche Auszeichnungen und Literaturpreise, u.a. Publikumspreis Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb (2013)
Hobbys Gehen, Wissenspodcasts hören, Ukulele spielen lernen
Lebensmotto Virginia Woolf hat geschrieben: Arrange whatever pieces comes your way. Das ist wohl, was wir alle jeden Tag tun müssen, wenn wir aufstehen, mit dem, was wir an diesem Tag vorfinden, umgehen irgendwie.