„Die Marke ist wichtig, ich bin es nicht“

Selfmade-Milliardär, Sportsfreund und Marketinggenie.
Salzburg Es war ein schöner Sommertag vor 35 Jahren, als ein Jungunternehmer namens Dietrich Mateschitz seinen ersten Medienauftritt in einem Salzburger Vorstadt-Wirtshaus hatte. Der Eishockey-Bundesligist Salzburger EC lud am 28. August 1987 zur Saisoneröffnungs-Pressekonferenz in den Lieferinger Hartlwirt. Die Clubführung präsentierte neben der Mannschaft mit den Sowjetstars Viktor Schalimow und Sergej Kapustin auch den neuen Sponsor: „Herrn Mateschitz von der Firma Red Bull.“ Der war tatsächlich persönlich anwesend, stellte seine Firma – die damals niemand kannte –, sein Produkt – kein Mensch wusste mit dem Begriff „Energy Drink“ etwas anzufangen – und sich selbst vor.
Sein Markenzeichen waren Unternehmergeist, Risikofreudigkeit, Marketingexpertise (die hat er ja schon im Studium auf der „Welthandel“ kennengelernt), Innovation und ein Hang zum Extremen. Vom Start-up-Unternehmer zum Multimilliardär, wurde in vielen Porträts über ihn geschrieben. Doch Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz entwickelte sich nicht nur zum erfolgreichen Multiunternehmer und größten Sportförderer in Österreich, sondern auch zu einer Persönlichkeit des nicht-öffentlichen Lebens. Marotte oder gezielte Strategie, wer weiß es schon, warum sich Mateschitz als persönliches Credo den Auftritt vor TV-Kameras versagte. „Die Marke ist wichtig, ich bin es nicht“, erklärte er mehr als einmal.
Die Liste abgelehnter Interviews ist so lang wie die Medienlandschaft. Für Print machte er seltene Ausnahmen. Und einmal, ein einziges Mal, ließ er sich „überrumpeln“, was der Euphorie des Augenblicks geschuldet war. Am 14. November 2010 hatte eben Sebastian Vettel in einem verrückten Finale gegen Red-Bull-Kollegen Mark Webber und Ferrari-Star Fernando Alonso seinen ersten Formel-1-Titel gewonnen. Mateschitz, ausnahmsweise zu einem Rennen außerhalb Europas angereist (sonst kam er nur nach Barcelona, Monza, einmal Sotschi und Spielberg), war so begeistert, dass er seine Emotionen über Vettels und Red Bulls bis dahin größten Erfolg vor den ORF- und Sky-Kameras auslebte, Wortspenden inklusive.
Einmaliger Ausrutscher
Früh wurde seine Persönlichkeit von Erzählungen und Legenden geprägt, weil er sich eben so öffentlichkeitsscheu gab. Als er mit wenigen Begleitern vor Weihnachten 2004 erstmals die Fabrik von Jaguar Racing, das er einige Wochen zuvor zu Red Bull Racing gemacht hatte, besuchte, wurde der neue Big Boss vielen Mitarbeitern vorgestellt. Die ältere Dame in der Rezeption bekam leuchtende Augen, als der damalige Teamchef Tony Purnell Mateschitz vorstellte: „Jesus Christ, you are real?!“, staunte die Dame.
Mateschitz erkannte früh den Werbewert von Sportlern, vor allem der „wilden Hunde“. So war neben Eishockey sein erstes Testimonial der eben zu Ferrari gewechselte F1-Jungstar Gerhard Berger. Der Kreis der Red-Bull-Sportler wuchs und wuchs (auf heute an die 5000 global), Schwerpunkt: Extremsportarten. Das reichte später bis zu Basejumper Felix Baumgartner, dem ein Sprung aus dem Weltall finanziert wurde – und der dem eben aufgebauten eigenen TV-Kanal ServusTV die erste Megaquote bescherte.
Der Siegeszug der blau-silbernen Dose gerade bei jungen Konsumenten gab ihm recht. In deutschen Medien wird er oft mit viel Abschätzigkeit als „Brausefabrikant“ tituliert. Die Art, wie der Konzern Red Bull mittlerweile in der Sportwelt auftritt, ist zwiespältig wegen des Anspruchs, überall führend zu sein. Von kritiklosem Applaus bis zu protestierendem Aktionismus reicht das Reaktionsspektrum, aus einem Grund: Wenn Red Bull und Dietrich Mateschitz etwas anpacken, dann gründlich. Mit Zielstrebigkeit zum Erfolg. Kontrovers wurde bis heute vor allem sein Engagement im Fußball gesehen, weil das Jetzt viel, die Zukunft mehr und die Historie nichts zählte.
Weniger beachtet als seine Aktivitäten im Sport und in der Medienbranche waren seine karitativen Bestrebungen. Für „Wings for Life“, der Stiftung zur Unterstützung der Rückenmarksforschung, für die medizinische Privatuni Paracelsus und manchmal für Menschen in Not flossen Millionen, die für Mateschitz nicht Marketing, sondern Bedürfnis waren.
