Ein Mann der Extreme

Jürgen Reis (46) hat gerade sein sechstes Sportfachbuch herausgebracht.
Dornbirn Es ist kurz nach 13 Uhr. Normalerweise steht für Jürgen Reis zu dieser Tageszeit Schwimmen auf dem Programm. Diesmal nimmt er sich aber gerne stattdessen Zeit, über sein sechstes Buch zu sprechen. “Es wurde gerade frisch gedruckt”, berichtet der Dornbirner und zieht einige Exemplare aus seinem Rucksack.

Reis ist zweifelsohne eine Ausnahmeerscheinung. Deutlich zeichnet sich jeder Muskel an seinen Armen und Beinen ab, während er im Spagat auf dem Boden sitzt und Bücher signiert. Aber es ist nicht nur seine Fitness, welche auf außergewöhnliche Veranlagung und Trainingsdisziplin schließen lässt. Es geht auch darum, dass er in Zeiten von Wandel in einer komplexen Welt mit seiner Lebensweise und -einstellung manch Ansatz zum Nachdenken liefert.

“Einfach in den Tag hinein leben geht nicht. Ich möchte eine gewisse Vorbildrolle spielen”, erklärt der Kletterbegeisterte, der auch auf Erfahrungen aus dem Leistungssport zurückgreifen kann.
Meinen Lebenstil eins zu eins zu übernehmen wird nicht funktionieren. Und das muss auch nicht sein.
Jürgen Reis, Profisportler und Autor
Mit 14 Jahren startete er mit regelmäßigem Training im Fitnessparcour. Mit 17 entdeckte er die Leidenschaft für das Klettern. Er gab schließlich seinen Job als Angestellter auf und es ging als Profi die Wand hinauf. Im Jahr 2002 erkletterte er sich beim Weltcup in Singapur den zehnten Platz.

Sein erstes Buch entstand nach einem Trainingsunfall und einer längeren Wettkampfpause. “Hier sieht man die Operationsnarbe noch”, sagt er und deutet auf eine Stelle am Handgelenk, wo damals das Kahnbein brach. Reis kämpfte sich damals zurück an die Kletterwand. Nebenbei baute er sich seine Selbstständigkeit als Autor und Trainer auf. Seinen letzten Wettkampf bestritt er in der Saison 2016/17.
Zur Person
Jürgen Reis
Geboren 13. August 1976
Wohnort Dornbirn
Familienstand Single
Ausbildung geprüfter BSA Leistungssport Body-Trainer, Wifi-Trainer, staatlich geprüfter Sportkletter-Leistungssportlehrwart
Beruf Autor und Profisportler
Größter sportlicher Erfolg 10. Platz Welcup Singapur (2002)
Lebensmotto Glück ist nicht “Tu was du willst”, sondern liebe das, was du tust
“Ich träume immer noch manchmal von den Wettkämpfen”, erzählt der leichtgewichtige Sportler und richtet seinen Blick wieder auf sein neues Buch. “Peak Lights” steht in orangefarbenen und senfgelben Lettern auf dem Cover geschrieben. Erschienen ist es im Eigenverlag. Gewidmet hat der Dornbirner das Buch seinem verstorbenen Vater Erwin.

Mit seinen “Leuchtfeuer”-Kapiteln und als Coach möchte der 46-Jährige Erwachsenen Tipps geben, um aktiver, bewegter, glücklicher und produktiver zu leben. Alles ohne Zwang. Jeder solle sich aus den autobiografischen Beschreibungen herauspicken, was für ihn wichtig sei.

“Meinen Lebenstil eins zu eins zu übernehmen wird nicht funktionieren und das muss auch nicht sein”, betont Reis. Er lebt inzwischen eine Mischung aus Homeoffice und Bewegung sowie Regeneration. Ohne Fernseher und Werbeeinschaltungen. Dafür mit Musik aus den 1970ern, -80ern und -90ern.

Vier bis fünf Stunden pro Tag geht er für sich sportlich an. Sei es beim Morgenkardio, Yoga, Schwimmen oder Rennen – und natürlich Klettern. Und das alles am liebsten in Dornbirn. Er ist dabei nicht nur regelmäßig Trainingsgast im Olympiazentrum und im Waldbad Enz, sondern hat sich auch daheim seine persönliche Trainingsstätte inklusive Klettermöglichkeit eingerichtet.

Nicht nur die eiserne Trainingsdisziplin, sondern auch seine Authenzität, seine positive Herangehensweise und das Verständnis für Individualität deuten darauf hin, dass sich Reis viel mit Mentaltraining beschäftigt. Auch eine gewisse Spiritualität spielt dabei eine Rolle. “Ist nicht jeder irgendwie spirituell?”, stellt er die Frage in den Raum und fügt hinzu: “An irgendetwas glauben die meisten. Auch durch Leistungssport können Antworten gefunden werden”, ist er sich sicher.

Reis hat sein Leben nach dem Motto gestaltet: Ich liebe was ich tue. “Und jetzt geht sich vielleicht doch noch eine kurze Schwimmrunde aus”, sagt er mit Blick auf die Uhr und schnappt sich seinen Rucksack mit den Büchern.
Weitere Infos sind unter www.juergenreis.com abrufbar.