“Auf uns lastet ein riesiges Erbe”

Michael Klimas von den Söhnen Mannheims über den Ausstieg von Xavier Naidoo und ihren Neustart.
Feldkirch Sechs Jahre sind vergangen, seit die Söhne Mannheims ihr letztes Album veröffentlicht haben. Hinter der Formation liegt eine turbulente Zeit. Xavier Naidoo war 2017 aus der Band ausgeschieden. Der Sänger fiel einige Jahre mit Äußerungen auf, die antisemitische Chiffren oder „Reichsbürger“-Gedankengut enthalten. 2022 distanzierte er sich davon. Nun wagten die „Söhne“ in neuer Besetzung mit dem Album „Kompass“ einen Neuanfang. Im Interview mit den VN sprach Sänger Michael Klimas (45) über den Bruch mit Naidoo, die neue Identität der „Söhne“ und Zukunftswünsche.
Mit Vorarlberg seid ihr eng verbunden, wie kam es dazu?
Klimas Der erste Kontakt kam über Joe Fritsche von „Stunde des Herzens“ zustande. Joe war ein großer „Söhne“-Fan und kam auf uns zu. Wir haben uns sofort super verstanden, es war wie Liebe auf den ersten Blick. So wurde es immer mehr zum Familientreffen. Ich mag Vorarlberg sehr gerne, hier herrscht ein ganz eigenes Zeitempfinden. Hier habe ich das Gefühl, dass die Uhren anders gehen.
2017 ist Xavier Naidoo aus der Band ausgestiegen, danach habt ihr euch als Band erstmal aufgelöst. Welche Gefühle kommen in dir hoch, wenn du an diese Zeit zurückdenkst?
Klimas 2017 war ein Wirbelsturm, außerhalb wie auch innerhalb der Band. Man konnte es gar nicht so richtig einordnen, was da passiert ist. Es gab auf jeden Fall Redebedarf. Es ist im Grunde wie in einer Beziehung. Irgendwann merkt man, dass der Partner vielleicht etwas anderes möchte, sucht oder braucht. Das war der Augenblick, wo wir gemerkt haben, dass wir das Projekt erstmal auf Eis legen.
Hat es euch gefehlt, Musik zu machen?
Klimas Bis auf Xavier, zu dem wir seit 2018 leider keinen Kontakt mehr haben, habe ich die Mitglieder der Band regelmäßig gesehen. Als wir dann wieder angefangen haben Musik zu machen, war es nicht mehr so organisiert. In der Zeit zwischen 2017 und 2019 hatten wir das Projekt mit dem Titel „Straßenunterhaltungsdienst“. Wir haben uns einen Lkw gemietet und Konzerte, darunter auch in Sibratsgfäll, gespielt. So haben wir gefühlt zwei Jahre verbracht. Dann stand irgendwann die Idee im Raum, die Band wieder zu reformieren. Wir wollten an das anzuknüpfen, was wir davor hatten.
Habt ihr mit der Vergangenheit abgeschlossen?
Klimas Ja, längst. Es ist schwierig, Außenstehenden die Komplexität dieses Themas zu erklären. Du hast ja einen Freund, es hat sich wie Familie angefühlt. Das, was passiert ist, war für uns auch nicht cool. Es kam immer so rüber, dass wir eine geschlossene Einheit sind. Aber das war nicht der Fall. Die „Söhne“ waren schon immer breit gefächert, was die Meinungen innerhalb der Band angehen. Insofern war das für uns erstmal ein doppelter Schlag in die Fresse. Einerseits hast du innerhalb der Band das Gefühl, dass wir persönlich reden müssen. Gleichzeitig fängst du an, dich für Dinge zu rechtfertigen, die innerhalb der Band nie wirklich diskutiert worden sind.
Inwiefern hat sich die Identität der „Söhne“ durch sein Ausscheiden verändert?
Klimas Wir sind jetzt mehr eine Band geworden. Davor war es ein Kollektiv an Musikern. Jetzt feiern wir die Erfolge genauso wie die Niederlagen gemeinsam. Dieses Auf und Ab gab es in dieser Form früher nie. Es war immer ein bisschen gefiltert durch das Xavier-Prisma.
Irgendwann hat sich Xavier Naidoo von seinen Aussagen distanziert. Was denkst du generell darüber?
Klimas Es ist eine menschliche Tragödie. Wenn Xavier ein Politiker wäre, wenn das sein Wahlbuch wäre, würde ich sagen, dass es ein richtiges Problem wäre. Im Grunde hat aber jeder Mensch mal Höhen und Tiefen, es läuft nicht immer alles gerade. Es gibt auch Momente, wo man vielleicht auch einmal Hilfe braucht und zuhören sollte. Ich hoffe, dass alles noch ein gutes Ende nehmen wird. Ich wünsche ihm wirklich das Beste.
Euer neues Album heißt „Kompass“. Wollt ihr den Menschen wieder den richtigen Weg zeigen?
Klimas Nein, wir wollen keinesfalls den Zeigefinder heben. „Kompass“ war tatsächlich ein Nebenprodukt einer Listening-Session. Wir hatten ein Konzert auf einem Ski-Opening mit Sarah Connor in Obertauern. Zu diesem Zeitpunkt habe ich mit Dominik den Song „Kompassnadel“ im Hotelzimmer aufgenommen. Es passte irgendwie gut, weil wir uns gerade neu ausrichten wollten.
Welche Faktoren haben das Album beeinflusst?
Klimas „Mut“ war zum Beispiel ein Song, der aus einer Banddiskussion heraus entstanden ist. Bei uns fliegen auch manchmal die Fetzen (lacht). Bandmitglied Giuseppe ist jemand, der versucht, zu beruhigen. In diesem Song hat er alles gesagt, was wichtig war, um die Wogen wieder zu glätten. Es gibt einen Song, in dem Giuseppe über seinen Vater singt, der Demenz hatte. „Fragmente“, den ich geschrieben habe, stammt noch aus der Coronazeit, als ich das Gefühl hatte, dass die Leute gegeneinander ausgespielt wurden. Ich habe mir damals die Frage gestellt, wie wir es schaffen, wieder die Brücken zu bauen. So erzählt jeder Song seine Geschichte.
Als ihr angefangen habt, habt ihr noch CDs verkauft. Inzwischen geht nichts mehr ohne Streaming. Wie geht ihr damit um?
Klimas Man muss halt mitspielen, das gehört dazu. Es hat aber auch viel mit Glaubwürdigkeit zu tun. Jeden Trend mitzumachen, ist Quatsch. Wir müssen uns nichts vormachen, wir sind kein TikTok-Thema. Auf der anderen Seite gibt es noch genug Leute, die auch die alten Strukturen und das Zeitgefühl von früher zu schätzen wissen. Ich glaube, dass diese Qualität immer noch gewünscht ist, dass man sich Zeit nimmt für ein Album und für ein Konzert.
Geht ihr heute anders mit dem Erfolgsdruck um? Oder gibt es diesen überhaupt noch?
Klimas Ich glaube, dass viele Leute gar nicht wissen, wer die Söhne Mannheims sind. Wenn dieser Name fällt, assoziiert man ihn mit Xavier. Den Leuten beizubringen, wer wir sind und was unsere Identität ist, ist die größte Herausforderung. Das ist gar nicht so einfach, weil ein riesiges Erbe auf unseren Schultern lastet. Aber wir arbeiten dran. Wir haben aus Trümmern etwas aufgebaut, was uns viele Menschen nicht zugetraut haben.
„Wenn Xavier ein Politiker wäre, wenn das sein Wahlbuch wäre, würde ich sagen, dass es ein richtiges Problem wäre.“

Die Söhne Mannheims gehen erstmals seit der Pandemie auch wieder auf Tour, nächste Termine: Zürich (26. Oktober), Hannover (11. November), Stollberg (19. Januar 2024), Kreuztal in Nordrhein-Westfalen (20. Januar). Im kommenden Jahr sind Konzerte in Österreich geplant. Bereits bestätigte Termine: 23. August 2014 Hoamat Open Air, Haibach ob der Donau; 25. August Burgarena Finkenstein.
Webseite: www.soehne-mannheims.de