Der royale Schein in „The Crown“ – zwischen Fakten und Fiktion

Da sitze ich inmitten einer illustren Runde. Es ist ein Kennenlernabend, soll ich doch in einem angesehenen Männerverein einen Vortrag über meine Arbeit halten und vor allem Einblicke in die Welt des Adels geben (die Frauen werden dazu herzlich eingeladen). Ziemlich schnell einigt man sich, welche Themen ich näher ausführen soll. Ziemlich schnell geht es um das britische Königshaus, das mit Skandalen in der Vergangenheit und auch in der Gegenwart nicht gerade geizt.
Gast W. entpuppt sich als echter Insider. Ungewöhnlich für einen Mann, wo dieses Gewäsch doch meist als „girlish“ abgetan wird. Nicht so für Gast W. Er brilliert mit Wissen über Charles, Camilla, Diana & Co., kennt jedes Detail. Es sprudelt nur so aus ihm heraus. Nur, sein großes Wissen hat einen kleinen Haken. Es fehlt etwas Wesentliches: der Wahrheitsgehalt. Es ist eine andere Wahrheit, die Wahrheit des Drehbuchautors Peter Morgan, realisiert in der britischen TV-Soap Opera „The Crown“, die sechste Staffel ist gerade angelaufen.
Es entspinnt sich ein herrlicher Dialog. Gast W. fragt mich, ob ich weiß, warum Diana in jener Nacht, in der sie tödlich verunglückte, in Paris war? Und erzählt die Geschichte, dass Dianas Begleiter Dodi Al-Fayed ihr einen Verlobungsring geschenkt habe, den er nur in Paris käuflich erwerben konnte. Diana habe aber seinen Heiratsantrag abgelehnt. Auf meinen Einwand: „Aber das weiß man doch alles gar nicht …“, kontert er: „Doch, in ‚The Crown‘ haben sie es genau gezeigt.“
Wenn die Geschichten in „The Crown“ zur Wirklichkeit werden, haben die Macher alles richtig gemacht. Auch dann, wenn mit Fakten der Wahrheitsbeweis angetreten werden kann, gegen eine Wahrheit in einem fiktionalen Drama.
Oscar-Preisträgerin Judi Dench wirft den Produzenten vor, „die Grenzen zwischen historischer Genauigkeit und plumper Sensationsgier zu verwischen“. Ich fürchte, auch Judi wird Gast W. nicht davon abbringen, an Märchen zu glauben.
„Wenn die Geschichten in ‚The Crown‘ zur Wirklichkeit werden, haben die Macher alles richtig gemacht.“
Lisbeth Bischoff ist Adelsexpertin und lebt in Dornbirn.