„Ich hatte große Angst“

Mariia Hordiienko ist bereits seit zwei Jahren in Vorarlberg – seit Kriegsbeginn in der Ukraine.
Sulz, Donbas Am 24. Februar 2022 wurde Marria Hordiienko um 7 Uhr morgens von ihrer Mutter Inna geweckt. „Sie hat gesagt, dass der Krieg begonnen hat. Ich habe nur geantwortet: ‚Ja, ich weiß‘ – das war mir klar, die Zeichen waren da“, sagt Mariia. Damals war sie 16 Jahre alt. „Ich habe sofort verstanden, dass es um meine Stadt Donbas schlecht steht. Wir haben sofort beschlossen, dass meine Mutter und ich umziehen müssen.“ Vier Tage später hatte sie ihren Rucksack mit warmer Kleidung vollgepackt, auch ihren Laptop hatte sie dabei. „Ich habe nur Sachen mitgenommen, die ich gebrauchen könnte“, fügt sie hinzu. Daraufhin saß sie mit ihrer Mutter im Auto auf dem Weg nach Vorarlberg. „Meine Tante wohnt bereits seit 16 Jahren hier, deswegen sind wir auch hierher gekommen.“

Die Fahrt sowie die Erfahrung waren, wie sie es beschreibt: fürchterlich. Das Geräusch von Bomben, die auf Boden und Gebäude einprasseln, hat sie dabei begleitet. „Ein Helikopter der russischen Armee war eine Zeit über uns, da hatte ich große Angst. Ich habe mein Kuscheltier, das ich mitgenommen habe, fest an mich geklammert.“ Zerstörte Tankstellen, die teilweise noch in Flammen standen, hat die damals 16-Jährige ebenfalls gesehen. Zeitweise standen sie acht Stunden im Stau. Die Erinnerungen an die ersten Tagen sowie die Fahrt sind bei Mariia und ihrer Mutter verschwommen, wegen dem Stress, den sie erlebt haben. „Wir sind dann bis an die Grenze von Ungarn gefahren. Dort hat meine Tante auf uns gewartet und uns dann nach Vorarlberg begleitet“, schildert Mariia.

Hier angekommen war die erste Hürde, eine Wohnung zu finden. „Die Familie Weber aus Sulz hat sich dann bei uns gemeldet, dass sie uns gerne helfen würden“, lächelt Mariia. „Sie haben uns eine Wohnung gegeben. Der Vermieter Armin Weber ist unglaublich toll. Ich bin ihm und seiner Frau sehr dankbar. Wir sind mittlerweile gute Freunde geworden.“ Seit zwei Jahren feiern sie fast jedes Fest gemeinsam. „Ich liebe es, wie man Weihnachten hier feiert. Es ist so authentisch. Ich mag die österreichische Kultur“, sagt die 18-Jährige.

Auch das Gymnasium Schillerstraße in Feldkirch hat sie für eineinhalb Jahre besucht. „Die Schüler und die Lehrer waren sehr nett und haben mich unterstützt.“ Da sie nebenher ihre Aufgaben online für ihre Schule in der Ukraine erledigen musste und zusätzlich Deutschkurse hatte, konnte sie das Gymnasium in Feldkirch nicht abschließen. „Ich wurde eigentlich auch gar nicht benotet. Mir war es wichtig, Deutsch zu lernen, ich mag die Sprache. Ich habe vor einer Woche meine Prüfung für C1 geschrieben.“ Die Leidenschaft für die Sprache macht sich bei Mariia bemerkbar, denn momentan macht sie ein Fernstudium für Germanistik und Dolmetschen an einer Universität in der Ukraine. „Ich möchte aber auch hier in Österreich gerne studieren. Am liebsten Kommunikationswissenschaften.“

Die Aussichten, wieder in ihre Heimatstadt zurückzukehren, sind derzeit schlecht. „Die Situation ist jetzt kritisch in Donbas. Es ist schwieriger geworden“, erzählt sie. Ihr Vater wohnt noch dort und versucht, die Einwohner mit etwas zum Heizen zu versorgen. Ihr Bruder ist an der Front – er leitet die Bodentruppe. Bereits seit 2019 kämpft er. „Es gibt immer noch Kämpfe. Bis zu 80 Prozent der Stadt liegt in Ruinen. Auch meine Schule wurde komplett zerstört“, erzählt Mariia. Die Sirenen ertönen in Donbas stündlich. „Ich weiß nicht, ob ich wieder zurückgehen kann. Unsere Wohnung steht noch, aber sie kann jederzeit zerstört werden.“
