Katharina Kalb: “Gewalt kann ganz unterschiedliche Folgen haben”

Vier von zehn Gewalttaten sind situativ. Ihren Opfern steht der Weisse Ring zur Seite – und Frau Kalb ist hier die erste Ansprechperson.
Dornbirn “Es ist unabhängig von Alter und Geschlecht, dass eine Straftat etwas mit einem macht”, betont Katharina Kalb, dass der Umgang mit einer Straftat in erster Linie sehr individuell variiert. Für viele ist es schwierig, dass situative Gewalt häufig ganz unvorhersehbar geschieht. Oft suchen die Opfer eine Mitschuld bei sich, oder sind beschämt aufgrund ihrer Opferrolle. Somit wird auch das Selbstwertgefühl ein Opfer der Gewalt.
Orientierung und Unterstützung
Situative Gewalt bedeutet, dass es kein Naheverhältnis zwischen Täter und Opfer gibt, im Gegensatz zur Gewalt in der Privatsphäre. Zu ihr zählen neben Mord und Körperverletzungen auch Übergriffe im öffentlichen Raum oder am Arbeitsplatz, Stalking und Drohungen. “Auch eine Drohung online hat Folgen im realen Leben, das macht was mit der Psyche.” Neben der Gewalt im häuslichen Bereich werden Frauen oft im Internet belästigt, verfolgt, bedroht und verletzt. “Aber es ist natürlich genau so im öffentlichen Bereich, etwa beim Heimgehen durch den Park”, betont Kalb, dass die Straßen für Männer und Frauen nicht immer gleich sicher sind. Opfern situativer Gewalt steht der Weisse Ring kostenlos zur Seite – und Kalb ist hier die erste Ansprechperson.

Die 27-Jährige gibt Orientierung: “Gewalt kann ganz unterschiedliche Folgen haben. Soziale, gibt es finanzielle Schwierigkeiten? Gibt es psychische Folgen? Braucht man Krisenintervention oder Psychotherapie? Und natürlich dann auch rechtlich. Braucht es da Unterstützung?” Und dann gibt es noch die psychosoziale und rechtliche Prozessbegleitung, von der Aussage bis zum Urteil. Denn für viele ist die Welt des Rechts mit ihren Regeln und ihrer Sprache überwältigend, das Verbrechensopfergesetz und die dort gewährten Ansprüche und Zivilklagen sind ihnen unbekannt.
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Für Opfer von häuslicher Gewalt gibt es neben den Gewaltschutzzentren etablierte Strukturen der Zusammenarbeit mit den Behörden, für Kinder das ifs. Diese Hilfseinrichtungen werden direkt von den Behörden kontaktiert. Opfer situativer Gewalt bekommen zwar die Information, dass es Opferhilfe gibt. Den Weg zur Hilfe müssen sie aber selbst finden, da die Daten nicht weitergegeben werden. Hier kämpft der Weisse Ring seit Jahren um eine Gleichstellung. Oft melden sich Opfer daher erst sehr spät, etwa wenn die Einstellung eines Verfahrens droht.
Katharina Kalb 2023:
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“Für uns ist es immer wichtig zu sagen, man selbst kann nichts dafür – sondern der Täter oder Täterin”, betont Kalb. Gerade bei schambehafteten Themen gehört zur psychosozialen Begleitung auch, einfach zum Reden da zu sein. Zu zeigen, dass man nicht die einzige Person ist, der so etwas passiert. Die 27-Jährige studierte in Wien Kultur- und Sozialanthropologie, von dort ging es in die Kunsttherapie, danach folgte der Master in Sozialer Arbeit. Über die Kinderonkologie und der Wohnungslosenhilfe fand sie ihren Weg zum Weissen Ring. “Etwas, was sich durchzieht, ist Menschen wieder handlungsfähig zu machen”, will Kalb ihren Klienten wieder das Zepter in die Hand geben. “Und jetzt gerade bei der Opferhilfe vielleicht auch Sicherheit zurückzugehen.”
Der Weisse Ring ist unter 050 50 16 erreichbar und betreut im Auftrag des Justizministeriums den Opfernotruf 0800 112 112
