Für Chancengleichheit aller Personen

Brigitte Stadelmann wurde für Engagement mit dem Agathe-Fessler-Frauenpreis ausgezeichnet.
Bregenz Als Brigitte Stadelmann von ihrer Nominierung für den Agathe-Fessler-Frauenpreis 2024 erfuhr, ging der Leiterin des amazoneZENTRUM als erstes durch den Kopf: „Ganz ehrlich! Das gibt es doch gar nicht, dass eine Queerfeministin wie ich einen solchen Preis bekommt!“ Die 54-Jährige lacht. „Nein“, fügt sie korrigierend hinzu: „Ich habe mich gefreut, dass die Arbeit, die ich mit meinen Kolleginnen mache, wahrgenommen wird und dass sie sogar preiswürdig ist.“ Auch für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Bregenz, denn von ihnen wurde die Aktivistin für Geschlechtergerechtigkeit nominiert.

Unermüdlich im Einsatz
Seit rund 35 Jahren engagiert sich die gebürtige Höchsterin für Chancengleichheit von Frauen und queeren Menschen und damit für eine tolerantere und buntere Gesellschaft. Seit 17 Jahren im amazoneZENTRUM, dem Ort für Mädchen, junge Frauen, inter, nicht-binäre, trans und agender Jugendliche, und zudem noch ehrenamtlich bei Go West Verein für LGBTQIA+ den sie mitgründete. Brigitte Stadelmann ist in Hinblick auf feministische Anliegen eine ‚Bregenzer Institution’, heißt es von Seiten der Jury und auch darüber muss sie schmunzeln. Wenn mit ,Institution´ das zielgerichtete Handeln und die Beständigkeit gemeint sind, trifft die Beschreibung ins Schwarze. Stadelmann wird nämlich nicht müde, ihre Forderungen zu wiederholen. Denn ein Rückblick auf Zeitungsinterviews zeigt, dass es damals, wie heute dieselben sind.
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Ganz so will es die Sozialarbeiterin zwar nicht stehen lassen. „Es hat sich schon vieles zum Besseren gewendet“, sieht auch die Erfolge, die das Engagement nach sich zieht. Ihr ist aber auch bewusst, dass es immer noch viel zu tun gibt. Weil die Rollenvorstellungen teils noch sehr konservativ und traditionell sind. Weil Frauen immer noch einen Großteil der unbezahlten Care-Arbeit leisten. Weil die Lohnschere immer noch minus 21 Prozent beträgt. Weil immer noch jede dritte Frau von Gewalt betroffen ist. Weil queere Menschen immer noch diskriminiert und ausgegrenzt werden. Weil, weil, weil …

Mehrwert für alle
Die Liste ihrer Aufzählungen ist lang. Und eigentlich in unser aller Sinne. „Feminismus ist kein Frauenthema, denn Geschlechtergleichstellung ist für alle Menschen ein Mehrwert“, begründet Stadelmann, die weiß, wovon sie redet. Als langjährige Mitarbeiterin des Vereins Amazone und zuvor als Schulsozialarbeiterin hat sie viele Jugendliche kennengelernt, die im Alltag und in der Schule wegen Rassismus, Behinderung, ihrer Geschlechtszuordnung oder Bodyismus bereits extremen Ausschlüssen und Demütigungen ausgesetzt waren. „Für sie bieten wir einen Safer Space an, indem sie sich sicher und wohl fühlen können, weil sie keine Verletzungen oder Diskriminierungen erfahren.“ Kurz: das amazoneZENTRUM ist ein Raum, indem man sein kann, wie man ist.

Stadelmann wirkt mit ihren kurzen braunen Haaren, blauen Augen, der dezenten Brille mit dünnen Rändern und klaren Design sympathisch. Sie spricht ruhig, lacht viel. Doch es ist die Authentizität, die ihre Persönlichkeit prägt. Nicht zu vergessen ihr starker Wille und ihre Überzeugung, etwas bewegen und verändern zu wollen. Sich selbst als queer bezeichnend, weiß sie ganz genau, dass die Lebensqualität für alle Menschen ohne Rollenklischees und Ungleichheit besser wäre. „Von klein auf lernen wir, welche sozialen Erwartungen wir erfüllen müssen“, sagt Stadelmann. Abwertungen würden oft über geschlechterspezifische Klischees vorgenommen. Etwa wenn ein Trainer über das Spielfeld rufe: Ihr müsst rennen wie Kerle, nicht wie Mädchen. Oder umgekehrt: Frauen, die boxen und ringen, sind keine richtigen Frauen. „Genau diese Rollenstereotype sind es, die zu Benachteiligungen und Gewalt führen“, weiß die Expertin, die seit Jahrzehnten dagegen mobil macht und es auch weiter tun wird. Jetzt mit einer gebührenden öffentlichen Anerkennung, dem Agathe-Fessler-Preis. CRO
Brigitte Stadelmann
Wohnort Bregenz
Alter 54 Jahre
Ausbildung Kindergartenpädagogin, Sozialarbeiterin
Beruf Leiterin des amazoneZENTRUM, Fachfrau für Gewaltprävention
Hobbys Reisen, Lesen, Radfahren, Konzerte besuchen