Telefonseelsorgerin Elfriede: “Bin mit meinem Schicksal ausgesöhnt”

Menschen / 08.07.2024 • 09:54 Uhr
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Elfriede Marent (links) bei der Ehrung im Landhaus mit Barbara Moser-Natter, der stellvertretenden Leiterin der Telefonseelsorge Vorarlberg.

Elfriede Marent (78) engagierte sich 33 Jahre lang für die Telefonseelsorge. Das gab dem Leben der Witwe Sinn und Struktur.

Mellau Das Leben ging nicht zimperlich mit Elfriede Marent (78) um. Es nahm ihr den Ehemann und Vater ihrer drei Kinder. „Ferdinand kam 1983 bei einem Bergunfall um. Er wurde nur 42 Jahre alt.“ Als die Polizei vor der Tür stand und ihr mitteilte, dass ihr Mann tot ist, dachte die damals 37-Jährige: „Das kann nicht Ferdinand sein. Das ist eine Verwechslung. Erst als man mir seinen Ehering aushändigte, realisierte ich es. Es war ein Riesenschock.“ Die junge Witwe war zornig auf das Schicksal und auf Ferdinand. „Ich verstand nicht, warum er gegangen war und mich und die Kinder allein zurückließ.“

In dieser schweren Zeit war ihr der Vater die größte Stütze. „Er kam oft zu uns nach Mellau.“ Nach dem Schicksalsschlag erfuhr die gebürtige Deutsche von vielen Seiten Hilfe. Aus Dankbarkeit begann sie sich einige Jahre später ehrenamtlich zu engagieren. „Ich wollte etwas zurückgeben.“ Elfriede machte 1989 eine Ausbildung zur Telefonseelsorgerin. „Im Kirchenblatt wurde dafür geworben. Für mich war es wie eine Eingebung von oben. Ich wollte für Menschen da sein.“

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Landeshauptmann Markus Wallner ehrte Elfriede Marent am 26. Oktober 2023 mit dem Verdienstzeichen des Landes Vorarlberg.

Viele Jahre arbeitete sie nur nachts, von 22.30 bis 7.30 Uhr. Die Arbeit gefiel ihr. Sie mochte es, den Anrufenden zuzuhören und ihren Sorgen und Problemen Raum zu geben. „Das Hauptproblem der Menschen ist die Einsamkeit. Viele haben niemanden zum Reden.“ Die Arbeit bei der Telefonseelsorge erfüllte Elfriede. „Helfen zu können, ist schön.“ Auch unter den Kollegen – für die Telefonseelsorge arbeiten knapp 100 Menschen – fühlte sie sich wohl und aufgehoben. „Wir waren wie eine große Familie.“33 Jahre lang lieh sie den Anrufern ihr Ohr, tröstete sie und stand ihnen mit Rat und Tat zur Seite. „Ich habe nie einen Grund gesehen, bei der Telefonseelsorge aufzuhören.“ Als sie aber im November 2022 gesundheitliche Probleme bekam, war es so weit. Elfriede zog sich mit wehmütigem Herzen nach 7000 Stunden am Telefon aus der ehrenamtlichen Tätigkeit zurück.  

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In der Natur tankt Elfriede Kraft für den Alltag.

„Der Dienst am Telefon wäre mir heute zu anstrengend.“ Im Vorjahr wurde sie für ihr langjähriges Engagement geehrt. Der Landeshauptmann überreichte ihr das Verdienstzeichen des Landes Vorarlberg. Die Ehrung war für die 78-Jährige ein schöner Abschluss und löste ein wohliges Gefühl in ihr aus.

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Elfriede mit ihrem Enkel Mika.

Das Engagement bei der Telefonseelsorge war für sie ein wichtiger Teil ihres Lebens. „Es gab meinem Leben Struktur.“ Als es wegfiel, blieb zunächst eine Leere zurück. „Ich hatte das Gefühl, eine große Familie verlassen zu haben.“ Mittlerweile hat sie sich aber mit Freude dem Projekt „alt jung sein“ angeschlossen, bei dem sich Senioren wöchentlich treffen, um körperlich und geistig fit zu bleiben. Auch die Familie ist ein wichtiger Anker in ihrem Leben. Elfriede lebt mit ihrer Tochter, ihrem Schwiegersohn und ihrem Enkelsohn unter einem Dach. Das Leben beschenkte sie im reifen Alter mit drei Enkeln. Aber eine Enkeltochter starb vor elf Jahren an Knochenkrebs. Der Tod der achtjährigen Ilvy war ein schwerer Schlag für die Familie. Aber mittlerweile ist Elfriede mit ihrem Schicksal ausgesöhnt: „Ich habe heute ein gutes Leben. Die Zeit heilt die Wunden. Es wird mit der Zeit leichter und tut nicht mehr so weh.“  

Elfriede Marent

geboren 4. April 1946 in Tettnang

Wohnort Mellau

Ausbildung Kauffrau

Familie verwitwet, drei Kinder, zwei Enkel

Hobbys Fitness-Studio, Spazieren, Lesen