“Ich wusste nicht, ob ich den ersten Schultag meiner Enkelin noch erlebe”

Margret Becker (57) ist eine Überlebende. Sie besiegte eine besonders aggressive Form von Brustkrebs.
Dornbirn Margret Beckers Kindheit war abenteuerlich. Ihr Vater, ein Hoteldirektor aus Bregenz, wanderte mit seiner Familie nach Marokko aus. Die ersten zwölf Jahre ihres Lebens verbrachte Margret in diesem nordafrikanischen Land. In Marrakesch leitete ihr Vater ein Fünf-Sterne-Hotel. „Ich kann mich noch gut an den Geruch der Eukalyptusbäume erinnern.“ Später trat dann ihr Vater eine Stelle im Oman an. Seine Familie folgte ihm.
In Wien Deutsch gelernt
„Als ich 15 war, schickte mich mein Vater nach Wien, damit ich Deutsch lerne. Bei uns zu Hause wurde nur Französisch gesprochen.“ Sie paukte ein halbes Jahr lang Deutsch. Dann ging sie zu ihrer Familie zurück, die inzwischen in Saudi-Arabien lebte. Dort leitete ihr Vater den Gästepalast des Königs. Margret erinnert sich an große Empfänge. „Manchmal durfte ich meinen Vater begleiten.“ Nach fünf Jahren in Saudi-Arabien zog die Familie nach Pakistan um. „Mein Vater war mit dem pakistanischen Präsidenten befreundet.“ Nach zwei Jahren in Pakistan ging es weiter nach Syrien „Dort verbrachte mein Vater seine letzten Berufsjahre.“

Margret erinnert sich gern an ihre aufregende Kindheit. „Für mich und meine zwei Schwestern war das ein großartiges Leben.“ Ihre unbeschwerte und abenteuerliche Kindheit machte sie stark. Diese Stärke benötigte sie, als das Schicksal im Herbst 2018 zuschlug. „Nach einer Mammografie, auf die ich gepocht hatte, wurde mir mitgeteilt, dass ich eine aggressive Form von Brustkrebs habe.“ Schon vorher ahnte die dreifache Mutter, dass etwas mit ihr nicht stimmt. „Ich hatte ein seltsames, schwer zu erklärendes Gefühl im Körper.“ Die Diagnose warf sie nicht aus der Bahn. „Aber zuerst war ich verunsichert. Mir schoss durch den Kopf, dass ich den ersten Schultag meiner Enkelin nicht mehr miterlebe.“ Doch Margret fing sich schnell wieder. „Als man mir sagte, dass ich acht Chemos brauche, dachte ich mir: Das schaffe ich.“ Mutig stellte sie sich ihrem Schicksal. „Mein Motto war: jetzt erst recht.“

Den Krebs sah sie nicht als Feind, sondern als jemand, der bei ihr eine gewisse Zeit in Untermiete ist und ihr eine Lektion erteilen will. „Ich führte Zwiegespräche mit ihm und dachte mir: ,Wenn ich die Lektion lerne, dann geht er wieder.‘“ Als der Krebs in ihr Leben platzte, war die Dornbirner Stadtbedienstete mit ihrem Arbeitspensum überfordert. „Ich verstand, dass ich eine Auszeit brauchte.“ Unumwunden gibt sie zu, dass die Krebserkrankung auch einen Vorteil hatte. „Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich uneingeschränkt Zeit für mich.“
Margret schlug auf die sechsmonatige Behandlung gut an. „Nach acht Chemos waren beide Tumore in der rechten Brust verschwunden.“ Auch die OP im Mai 2019 verlief gut. Die Strahlentherapie am Ende der Behandlung vertrug sie gut. „Nach der Bestrahlung bin ich wandern gegangen. Ich fing auch wieder zu klettern an.“ Der Tag, an dem man der ausgebildeten Hotelfachfrau mitteilte, dass sie krebsfrei ist, feiert sie alljährlich. „Jetzt habe ich zweimal im Jahr Geburtstag.“

Nach der Krebserkrankung hatte sie das Gefühl, dass sie etwas Neues machen muss. Die 57-Jährige wurde zur Unternehmerin. Sie ließ in der Türkei ein Kletterzentrum errichten. Außerdem gründete sie hierzulande eine Firma, die interkulturelle Trainings für Firmen, Spitäler und andere Organisationen, anbietet. „Dadurch können Konflikte und Missverständnisse, die durch Menschen unterschiedlicher Kulturen entstehen, aufgelöst werden.“