Vom Unfallopfer zum Feldenkrais-Pionier

Georg Feuerstein verunglückte in seiner Jugend mit dem Moped. Er machte seinen Weg, trotz mancher Hürden. Der Experte für Feldenkrais gründete in Bregenz ein Zentrum für Gesundheitsförderung.
Bregenz Nach Abschluss der polytechnischen Schule wollte sich Georg Feuerstein (heute 67) zum Installateur ausbilden lassen. Doch das Leben hatte einen anderen Plan mit dem Teenager. Ein Schicksalsschlag lenkte den Bregenzer beruflich in eine völlig andere Richtung. Der 19. Juni des Jahres 1973 war für den damals 15-jährigen Georg ein schicksalhafter Tag. „Mein Cousin war bei uns auf Besuch. Er war mit dem Moped gekommen. Ich bat ihn, mich eine Runde fahren zu lassen.“ Georg kam mit dem Moped nicht weit. Der Jugendliche missachtete einen Vorrang. Das hatte fatale Folgen. „Ein Auto fuhr auf mich auf. Ich wurde vom Moped auf die Straße geschleudert. Mein Kopf prallte gegen die Randsteinkante.“

Georg erlitt bei dem Unfall lebensgefährliche Kopfverletzungen. „Zudem verlor ich drei Liter Blut. Allein dieser hohe Blutverlust war lebensbedrohlich.“ Die Ärzte gaben ihm keine Überlebenschance. „Ein Chirurg sagte zu meinem Vater: ,In seinem Kopf ist alles nur noch Brei‘“. Und: „Wenn ihr Sohn nicht an den Kopfverletzungen stirbt, dann an einem schweren Lungenkollaps.“
Nur wirres Zeug geredet
Aber die Ärzte lagen mit ihrer Prognose nicht richtig. Georg überlebte wie durch ein Wunder. „Nach zehn Tagen im Koma bin ich langsam aufgewacht. Anfangs habe ich aber nur wirres Zeug geredet.“ Zunächst dachte man, dass Georg nie wieder einen klaren Gedanken würde fassen können. Bald darauf jedoch erkannte er seine Mutter und war sogar fähig, wieder normal mit ihr zu sprechen. Außerdem gingen die Ärzte davon aus, dass er für immer gelähmt bleiben wird. Doch auch das bewahrheitete sich glücklicherweise nicht. „Im Reha-Zentrum lernte ich wieder gehen. Dort sagte man mir, dass ich ein medizinisches Wunder sei.“

Ganz ohne Folgen blieb die schwere Kopfverletzung aber nicht. Eine spastische Halbseitenlähmung beeinträchtigt ihn nach wie vor. Georg zieht sein linkes Bein nach. Auch seine linke Hand kann er nur eingeschränkt bewegen. Es gibt Situationen, in denen er gehandicapt ist. „Ich bekomme zum Beispiel manchmal ein Marmeladenglas nicht auf – dazu braucht es zwei Hände, die fest zupacken können.“
Aber Georg ließ sich wegen seiner Behinderung nie unterkriegen. Er ging trotzdem seinen Weg. Der Bregenzer absolvierte mehrere berufliche Ausbildungen. Nach der Reha besuchte der junge Mann die Handelsschule. Danach ließ er sich an der Sozialakademie zum Sozialarbeiter ausbilden. Als solcher arbeitete er im Landeskrankenhaus Rankweil und beim Institut für Sozialdienste. Aber dann schlug er einen anderen Weg konsequent ein.

Bereits als Student war Georg auf die Feldenkrais-Methode gestoßen. Das ist eine Bewegungstherapie, die darauf abzielt, die Körperwahrnehmung und Beweglichkeit zu verbessern. Georg erkannte ihr Potenzial – „ich habe schnell gemerkt, dass es wirklich hilfreich ist“ – und entschied sich für eine Feldenkrais-Ausbildung. „Die habe ich in Holland gemacht.“
Dort lernte er seine Frau kennen, eine Physiotherapeutin und Tai Chi/Qi Gong-Lehrerin aus Berlin. Gemeinsam gründeten sie im Jahr 1991 in Bregenz mit dem „Drehpunkt“ ein Zentrum für Gesundheitsförderung. Neben Feldenkrais wird dort Physiotherapie, Cranio-Sacral-Therapie, Osteopathie, Massage, TCM und vieles mehr angeboten. Mit dem Drehpunkt gelang es dem Vater von zwei Söhnen und einer Tochter ein Umfeld zu gestalten, in dem er sich trotz und mit seinen Einschränkungen beruflich verwirklichen konnte. „Ich bin ganz glücklich mit meiner Berufsbiografie. Ich kann selbstbestimmt arbeiten, bin mein eigener Chef.“ Aber mittlerweile ist Georg mit 67 in einem Alter, in dem andere schon in Pension sind. „Ich möchte den Drehpunkt in gute Hände geben und hoffe, dass ich bald einen Nachfolger finde.“
