Füreinander da – in guten wie in schlechten Zeiten

Seit zwei Jahren besucht Wilfried Breier (86) seine demenzkranke Frau Maria jeden Tag im Pflegeheim Höchsterstraße in Dornbirn.
Dornbirn Löffel für Löffel gibt Wilfried Breier (86) seiner Frau Maria (85) das Kompott ein. Maria hat heute keinen guten Tag. Sie ist in weinerlicher Stimmung. Immer wieder tätschelt Wilfried seiner Frau beruhigend die Wange. Der ehemalige Stickereiunternehmer besucht seine demenzkranke Frau jeden Tag im Altersheim. Maria lebt seit April 2023 im Pflegeheim Höchsterstraße in Dornbirn. “Es war die schwerste Entscheidung meines Lebens, sie ins Heim zu bringen.” Als er die Entscheidung vor zwei Jahren traf, musste er bitterlich weinen. “Ich weine sonst nie.”
Krankheit schritt rasch voran
Vor sechs Jahren erkrankte seine Frau an Demenz. Die Krankheit kam schleichend in das Leben der Breiers und machte sich zunehmend im Alltag bemerkbar. “Beim Einkaufen griff Maria x-mal zum selben Produkt. Die Lebensmittel versorgte sie nicht in der Küche, sondern im Wohnzimmer.” Maria, die zeitlebens eine gute Köchin war, konnte auf einmal nicht mehr kochen. Dasselbe passierte ihr mit dem Malen. “Plötzlich malte sie Bilder, die aussahen, als ob sie ein Kind gemalt hätte.” Auch das Stricken verlernte sie. Die Mutter von drei Söhnen bemerkte, dass mit ihr etwas nicht stimmte. “Sie nahm nie mehr einen Pinsel oder Stricknadeln in die Hand. Auch mit dem Autofahren hörte sie auf. Sie merkte, dass sie es nicht mehr konnte.”

Die Krankheit schritt rasch voran. Bald schon konnte sie sich nicht mehr selbst waschen und anziehen. Auch beim Gehen tat sie sich zunehmend schwer. “Ich konnte sie kaum noch die Treppe hinaufbringen.” Vor zwei Jahren hörte sie auf zu sprechen. “Das ist das Schwierigste für mich: Dass wir nicht mehr miteinander reden können. Es kommt keine Antwort. Nichts.”

Dass er seine Liebste jeden Tag besucht, ist für Wilfried selbstverständlich. “Das hätte Maria auch für mich gemacht.” Außerdem: “Bei der Hochzeit vor 58 Jahren haben wir uns geschworen, dass wir in guten und in schlechten Zeiten zusammenhalten.” Wilfried kommt ins Schwärmen, als er von Maria spricht. “Sie war eine tolle Ehefrau. Ich hätte keine bessere kriegen können. Wir sind zusammen durch dick und dünn gegangen. Wir waren immer füreinander da und haben in der Firma und im Garten miteinander gearbeitet.” In all den vielen gemeinsamen Jahren – nie gab es eine Ehekrise. “Ich würde sie sofort wieder heiraten.”

Wilfried greift zärtlich nach der Hand seiner Liebsten. Die beiden waren 65 Jahre ein Team. “Wir brauchten niemanden außer uns, wir reichten uns, gell Maria,” sagt er und drückt sanft Marias Hand. Wilfried badet in den Erinnerungen. So kann er kurzfristig der traurigen Gegenwart entkommen.
Es schmerzt ihn immens, zu sehen, wie seine Frau körperlich und geistig verfällt. “Sie ist nur mehr ein Häufchen Elend.” Trotzdem ist er froh, dass sie noch da ist. “Ich werde sie vermissen, wenn sie nicht mehr hier ist.” Nach knapp drei Stunden macht sich Wilfried auf den Heimweg. Zu Hause wartet niemand auf ihn. Bevor er geht, verabschiedet er sich mit einem innigen Kuss von seiner kranken Ehefrau. “Maria wartet auf diesen Abschiedskuss. Sie erwiderte ihn auch immer”, freut er sich, und jetzt treten Tränen in seine Augen.