“Man drohte mir mit Erschießung”

Der ehemalige Stickereiverkäufer Karl Hagspiel (83) saß in Nigeria ein Jahr lang im Gefängnis. “Es war die Hölle auf Erden.”
Lustenau Als Karl Hagspiel im Jahr 1943 geboren wurde, wütete der Zweite Weltkrieg. Er und seine zwei älteren Geschwister wuchsen ohne Vater auf. “Papa kam nicht mehr aus dem Krieg zurück. Er fiel in Stalingrad.” Seine Mutter brachte sich und ihre drei Kinder als Heimarbeiterin durch. “Mama war für eine Stickereifirma tätig. Oft arbeitete sie in der Nacht.” Karl hat seine Kindheit in schöner Erinnerung. Als Kleinhirte verbrachte der Bub mehrere Sommer auf einer Alpe im Bregenzerwald. “Ich bin den ganzen Tag dem Vieh nachgerannt.” Noch heute denkt er gerne an diese schöne Zeit zurück.

Nach der Handelsschule begann der damals 16-Jährige für die Lustenauer Stickereifirma “Ernst Grabher” zu arbeiten. “Dort habe ich die Stickerei von der Pike auf gelernt.” Schließlich landete er im Verkauf. Als Stickereiverkäufer reiste Karl viel herum. “Unter anderem war ich in Japan, Neuseeland, Australien, Amerika, Indien und England.” Bald wurde Nigeria der wichtigste Abnehmer von Vorarlberger Stickereien. “Ich bin insgesamt sicher 100-mal nach Nigeria geflogen.” Von 1974 bis 1978 lebte der Lustenauer sogar in Lagos. “Dort habe ich eine Stickereifirma mit einem nigerianischen Partner aufgebaut, mit 450 Mitarbeitern und 25 Stickmaschinen.”

Im Jahr 1977 brachte ihn ein Kollege in große Schwierigkeiten. “Als ich auf Heimaturlaub war, lief bei einer Zahlung etwas schief. Ich dachte mir, das kläre ich vor Ort und flog nach Nigeria.” Dort verhaftete man Karl und brachte ihn ins Gefängnis. “42 Tage war ich in völliger Dunkelheit eingesperrt. Zu acht saßen wir in einem kleinen Raum nackt auf dem Betonboden, wie Paviane. Es war grauenvoll.” Karl nahm in der Haft 20 Kilo ab. “Das Essen war furchtbar.” Seine Psyche fuhr mit ihm Achterbahn – mal war er hoffnungsvoll, mal völlig verzweifelt. “Man drohte mir mit mindestens fünf Jahren Haft und eventuell Erschießung. Ich hatte Angst, dass ich nicht überlebe. Zweimal erkrankte ich an Malaria.”

Sein Martyrium dauerte fast ein Jahr. “Nach 51 Wochen im Gefängnis kam ich auf Kaution frei. Eine Million Schilling mussten aufgebracht werden.” Ein Rechtsanwalt hatte sich für ihn eingesetzt. “Nach der Haftentlassung musste ich mich jeden Tag bei den Behörden melden.” Schließlich gelang dem Familienvater ohne Pass die Flucht aus dem Land. “Mit einem spanischen Frachtflugzeug flüchtete ich nach Madrid.” Nach der Flucht erholte sich der Vater einer Tochter zwei Monate lang auf einer Ranch in Kanada.

Im Jahre 1981 machte sich Karl als Stickereiproduzent und -exporteur selbstständig. “Die Nigerianer kamen zu mir.” Im Jahr 2003 verabschiedete er sich in die Pension. Seither reist er viel. Vor allem Afrika hat es dem 83-Jährigen angetan. “Dieser Kontinent fasziniert mich. Unter anderem war ich schon in Südafrika, Namibia, Kenia und im Senegal.”

Karl Hagspiel
geboren 4. Juli 1943 in Bregenz
Wohnort Lustenau
Familie in Partnerschaft mit Brigitte, eine Tochter
Hobbys Reisen, Skifahren, Tennis, Jagd