Kartenlegerin: “Sie werden noch einmal eine große Liebe erleben”

Nach einer schwierigen Ehe begegnete Christine Picciolo-Schneider einem Mann, der zur Liebe ihres Lebens wurde. Ihm hat sie jetzt ein Buch gewidmet.
St .Gallen/Bregenz Christine Picciolo-Schneider (77) ist ein Nachkriegskind. Sie wurde im Jahr 1946 in Bregenz geboren. Ihr Vater war Briefträger, ihre Mutter Heimarbeiterin. „Sie hat viel genäht.“ Obwohl beide einer Arbeit nachgingen, reichte das Geld oft nicht. „Manchmal wusste Mama nicht, was sie auf den Tisch bringen sollte.“ Christine erinnert sich, „dass wir im Wald Pilze gesucht, im Dunkeln Äpfel aufgelesen und mit Holunderblüten Omeletten gemacht haben“.

Christine, die am Pfänderhang als Einzelkind aufwuchs, war als Kind sehr scheu. „Ich hatte keine Spielgefährten. Ich habe mit meiner Katze gespielt. Vor Menschen hatte ich Angst.“ In der Schule fürchtete sie sich vor ihren Mitschülern. Mit 14 konnte sie eine Internatsschule in Frankreich besuchen. „Ich musste kein Schulgeld bezahlen, weil ich im Heim kleinere Arbeiten übernahm.“ Das Internat wurde von Sacre-Coeur-Schwestern geleitet. „Die Nonnen waren sehr lieb zu mir. Sie nannten mich ,mein kleiner Liebling‘“. Christine fühlte sich im Internat daheim und lernte nahezu mühelos Französisch.

Nach zwei Jahren kehrte sie nach Vorarlberg zurück. Aber hier gefiel es ihr nicht mehr. „Die Vorarlberger waren mir zu kühl.“ Als ihr Onkel, der nach Kanada ausgewandert war, auf Besuch kam, beschloss sie, mit ihm nach Kanada zu gehen, in eine Kleinstadt nördlich von Ontario. „Es war Winter und bitterkalt. Der Ort gefiel mir nicht. Deshalb versuchte ich mein Glück in Toronto.“ Dort konnte die junge Frau auf Kosten des Staates ein College absolvieren.
In der Mensa lernte sie John kennen, der mit seiner Familie aus der Schweiz ausgewandert war. Sie wurden ein Ehepaar und bekamen drei Töchter. Christine arbeitete auf einer Bank, ihr Mann als Mechaniker. Mit ihrer Tüchtigkeit brachten sie es zu einem Haus. 1980 brachen sie ihre Zelte in Kanada ab und ließen sich in Vorarlberg nieder. „John hat die strengen Winter in Kanada nicht mehr ausgehalten.“ John wurde in Vorarlberg nicht heimisch und glücklich. „Er fühlte sich einsam, seine gesamte Familie war in Kanada geblieben.“ Ihre Ehe litt darunter. Hinzu kam noch seine krankhafte Eifersucht. „Damit machte er mir das Leben zur Hölle.“ 1990 ließen sich John und Christine scheiden.

1992 sagte ihr eine Kartenlegerin voraus, dass sie noch einmal eine große Liebe erleben und heiraten wird. „Ich war skeptisch, auch weil ich gar nicht mehr heiraten wollte. Aber sie beschrieb mir den Mann genau. Sie sprach von einem sozialen Professor.“
Christine, die bisher als Sachbearbeiterin in einer Schweizer Firma tätig war, wollte sich beruflich verändern. „Ich wollte etwas mit Menschen machen.“ Deshalb beschloss sie, die Sozialakademie zu absolvieren und nebenher noch eine Ausbildung zur Psychotherapeutin zu machen. „Danach richtete ich eine Praxis ein und arbeitete als Therapeutin.“ Um sich und die Kinder durchzubringen, nahm sie aber noch weitere Jobs an. „Ich hing Plakate auf und arbeitete als Statistin bei den Festspielen.“ Über eine Freundin, die sich für Parapsychologie interessierte, kam die geschiedene Frau 1996 zu einem Nebenjob, der ihr Privatleben auf den Kopf stellen sollte. „Meine Freundin sagte mir, dass Alex Schneider, ein führender Schweizer Parapsychologe, für eine Woche eine Übersetzerin sucht.“ Christine meldete sich bei dem Mathematik- und Physikprofessor in St. Gallen und hatte den Job.

Bei einem gemeinsamen Mittagessen mit Alex Schneider, dem Präsidenten der Parapsychologischen Gesellschaft Zürich/Ostschweiz, fielen ihr seine strahlenden Augen auf. “Ich fand ihn sehr sympathisch. Wir haben miteinander geflirtet.“ Danach fragte sich die damals 50-Jährige: „Könnte Alex der Mann sein, von dem die Kartenlegerin gesprochen hat?“ Christine jedenfalls wollte Alex, der 19 Jahre älter war als sie, unbedingt wiedersehen. Sie konnte nur noch an diesen Mann denken. Der Zufall spielte ihr in die Hände. „Als ich wieder zu Hause war, merkte ich, dass ich die Jacke bei Alex vergessen hatte. Ich rief ihn an und er sagte, dass er sie mir bringen würde und wir bei dieser Gelegenheit ja eine schöne Wanderung auf den Pfänder machen könnten.“
Die gemeinsame Wanderung war der Auftakt zu einer großen Liebe. „Der erste Kuss ging mir durch Mark und Bein.“ Christine war gefesselt von Alex‘ wachem Geist, seiner Gutherzigkeit und seiner Weisheit. Dieser Mann mit Interesse fürs Übersinnliche wurde zu ihrem Helden. „Alex lehrte mich selbstlose Liebe.“ 16 gemeinsame Jahre waren dem glücklichen Paar vergönnt. Im Jahr 2012 starb Alex in den Armen seiner Frau Christine. „Er brach vor meinen Augen zusammen. Sein Herz hatte aufgehört zu schlagen.“ Nach seinem Tod konnte Christine nicht mehr als Psychotherapeutin arbeiten. „Ich fühlte mich wie ein rohes Ei.“ Aber ihren Herzenswunsch verfolgte sie mit Vehemenz. „Ich wollte meinem Mann ein Denkmal setzen und ein Buch über ihn schreiben.“ Im Jahr 2021 kam der biografische Roman über Alex Schneider heraus unter dem Titel ,Stelldichein mit einer anderen Welt‘.
