Zwischen surrealem Genie und öffentlichem Wahnsinn

Salvador Dalí wäre am Samstag 120 Jahre alt geworden.
Figueres Salvador Dalí, geboren am 11. Mai 1904 in Figueres, Spanien, war eine der prägendsten und zugleich umstrittensten Persönlichkeiten der Kunstwelt des 20. Jahrhunderts. Sein Einfluss auf die surrealistische Bewegung und seine oft provokativen Werke sorgen noch heute für Diskussionen und Anerkennung.

Dalí wuchs in einer Familie auf, die früh sein künstlerisches Talent erkannte und förderte. Sein Vater war ein strenger Notar, seine Mutter eine einfühlsame Kunstliebhaberin, die ihn in seiner Entwicklung unterstützte. Die frühe Prägung durch familiäre Konflikte und die Auseinandersetzung mit dem Verlust eines älteren Bruders, der ebenfalls Salvador hieß und vor seiner Geburt verstarb, spiegelten sich oft in seinen späteren Werken wider.

Mit 17 Jahren ging er an die Königlichen Akademie der Schönen Künste San Fernando in Madrid, wo er sich mit dem Dichter Frederico Garcia Lorca und dem späteren Filmregisseur Luis Bunuel anfreundete. 1926 machte er eine Studienreise nach Paris, wo er Pablo Picasso kennenlernte. Eine schicksalhafte Wende erlebt Dali 1929: Beim Besuch des Dichters Paul Eluard in Cadaques lernt der 25-Jährige dessen Frau Gala kennen, die zu seiner Geliebten wird. 1935 heiraten sie standesamtlich, 1958 auch kirchlich. Von 1930 bis zu ihrem Tod 1982 ist Gala «Muse» und Managerin Dalis.

Nach seinem Studium zog es Dalí nach Paris, wo er 1929 in die surrealistische Bewegung um André Breton aufgenommen wurde. Hier entwickelte er seinen unverwechselbaren Stil, der von traumartigen Szenerien, bizarren und grotesken Bildern sowie einer außergewöhnlichen Präzision geprägt war. Werke wie „Die Beständigkeit der Erinnerung“ (1931) sind ikonisch für seine Auseinandersetzung mit der irrationalen Welt des Unbewussten.

Dalís Umstrittenheit rührte jedoch nicht nur von seiner Kunst her, sondern auch von seinem öffentlichen Auftreten und seinen politischen Ansichten. In den 1930er Jahren distanzierte er sich zunehmend von der streng politischen Ausrichtung der Surrealisten, die überwiegend kommunistisch orientiert waren. Seine flammende Bewunderung für Francisco Franco und die ambivalente Haltung zum Faschismus führten zum Bruch mit der Gruppe und zu anhaltender Kritik. Breton selbst bezeichnete ihn despektierlich als “Avida Dollars” (ein Anagramm von Salvador Dalí), um zudem seine kommerzielle Haltung und Narzissmus zu kritisieren.

Dalí war auch bekannt für seine exzentrischen Verhaltensweisen und seine Fähigkeit, die Medien zu manipulieren. Er inszenierte sich selbst als Genie und Narr zugleich, was ihm Aufmerksamkeit und Kritik einbrachte. Seine öffentlichen Auftritte, oft mit großem Schnurrbart und ausgefallener Kleidung, sowie seine provokativen Äußerungen waren Teil seines künstlerischen Ausdrucks.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erweiterte Dalí sein Schaffen um neue Medien und Techniken. Er experimentierte mit optischen Illusionen und wissenschaftlichen Konzepten, was seine Faszination für das Atomzeitalter und seine spirituelle Wende in den 1950er Jahren unterstrich. Diese Phase inkludierte auch umfangreiche biblische Motive und historische Themen, die in großformatigen Gemälden realisiert wurden.

Zum 120. Geburtstag erinnert die Kunstwelt an einen Mann, dessen Leben und Werk untrennbar miteinander verbunden waren. Dalís Schaffen und seine Persönlichkeit fordern nach wie vor Bewunderung und Kritik heraus und stellen die Frage, inwieweit Kunst und Künstler von ihrer Zeit und deren Ideologien zu trennen sind. Trotz oder vielleicht gerade wegen seiner Kontroversen bleibt Dalí eine Schlüsselfigur in der Geschichte der modernen Kunst.