Mutter und Pflegemutter

10.05.2024 • 12:17 Uhr
Pflegemutter
Die Natur ist für Silvia Maier und ihre Kinder das zweite Wohnzimmer. Maier

Silvia Maier aus Egg-Großdorf lebt mit Unterstützung der Familie beides mit Herzblut.

Egg-Großdorf Im Hintergrund ist eine Kinderstimme zu hören. Energisch und bestimmt. „Mein Pflegesohn“, erklärt Silvia Maier (54), bevor es am Telefon kurz still wird. „Er ist ein bisschen anstrengend“, ergänzt sie dann nachsichtig und mit weichem Lächeln. Silvia hat Erfahrung im Umgang mit Kindern, die kurz oder für länger in ihrem Leben auftauchen. Das erste Pflegekind zog vor 15 Jahren in das Haus in Egg-Großdorf. Es blieb. Heute ist das Mädchen 16 und fest in der Familie verankert. Silvia Maier ist aber nicht nur Dauerpflegemutter, sondern auch Bereitschaftspflegemutter. Will heißen: Sie steht parat, wenn ein Kind rasch einen Pflegeplatz braucht. Bislang hatte sie 25 Kinder in Bereitschaftspflege. Das Jüngste unter ihnen war gerade einmal zwei Tage alt. Silvia Maier hängt ihre Arbeit nicht an die große Glocke: „Ich tue, was geht.“ Und: Es geht viel: „Jede wohlgemeinte Geste prägt einen Menschen. Das sieht man am besten bei Kindern.“ Diesen, in der Ausbildung gehörten Satz, hat sie für sich verinnerlicht.

Pflegemutter
Zweieinhalb Jahre ist ihr Pflegesohn. Er fordert seine Pflegemama ganz ordentlich.

Klare Tagesstruktur

Silvia und Bernhard Maier haben drei eigene Kinder: Elias (25), Jakob (22) und Maria (20). Im gleichen Atemzug fällt auch der Name ihrer Pflegetochter Angelie. Sie wurde ein selbstverständlicher Teil der Familie. Die Überlegung, ein Pflegekind aufzunehmen, kam, als Maria vier wurde. „Ich bin immer gerne zu Hause gewesen“, erzählt Silvia. Deshalb hielt sie nach etwas Ausschau, das ihr diese Möglichkeit bot. Zu der Zeit suchte das Vorarlberger Kinderdorf wieder einmal Pflegeeltern. „Wir haben das gehört und beschlossen, es zu probieren“, berichtet Silvia Maier. Mann und Kinder unterstützten sie. „Die Familie muss dahinterstehen“, betont Silvia, denn speziell die Bereitschaftspflege lasse kaum Planungen zu und bedeute oft Verzicht auf gemeinsame Aktivitäten. Doch das Wohl der ihr anvertrauten Kinder steht im Vordergrund. Silvia Maier ist es wichtig, den Kindern eine klare Tagesstruktur zu schaffen. Dazu gehört, viel draußen zu sein. „Die Kinder mögen das, und es tut ihnen gut“, hat die Pflegemutter festgestellt.

Eine kleine Auszeit

Ans Aufhören dachte Silvia Maier bislang nie. „Natürlich gibt es herausfordernde Situationen“, räumt sie ein, aber: „Ich bin dankbar, dass ich diese Arbeit machen darf, denn sie bereichert das Leben.“ Anfangs sei es ihr schwergefallen, ein Kind wieder abzugeben. „Da ging das Herz oft mit.“ Inzwischen lehrte sie die Erfahrung: „Das gehört dazu.“ Geht ein Kind, nimmt sich Silvia Maier stets eine kleine Auszeit, um sich dann gemeinsam mit der Familie auf das nächste Pflegekind zu freuen. Was sie bedauert, ist das weitgehende Fehlen einer umfassenden sozialrechtlichen Absicherung für Pflegefamilien.

Pflegemutter
Silvia Maier liebt ihre Aufgabe als Pflegemutter. Hinschmeißen war noch nie eine Option.

Anstellungsangebot für Bereitschaftspflege

Dieses Thema treibt auch Marcel Gilly, Landesgeschäftsführer der Gewerkschaft der Privatangestellten, um. Pflegefamilien sollten seiner Ansicht nach zwischen regulärer Anstellung und freiem Dienstverhältnis wählen können. Derzeit würden die meisten auf Basis freier Dienstverhältnisse arbeiten, für die weder Mindestlohntarife noch Kollektivvertrag gelte. „Das macht es schwierig, Versicherungszeiten zu erwerben“, sagt Gilly. Dabei würden Pflegefamilien eine enorme Leistung für die Gesellschaft erbringen. „Gute Rahmenbedingungen“, gibt er sich überzeugt, „bringen auch mehr Bewerber.“

Zumindest bei der Bereitschaftspflege zeigt sich das Land gegenüber Anstellungsverhältnissen offen. Demnächst wird ein Antrag im Sozialfonds eingebracht, wobei Landesrätin Katharina Wiesflecker fest mit einem positiven Beschluss rechnet. Ab Juni soll das Angebot an die Familien dann stehen. Als Träger würde das Vorarlberger Kinderdorf fungieren. Es gibt 15 Familien in der Bereitschaftspflege, elf sind aktuell im Einsatz. Ob sie die Anstellung wollen, bleibt freilich ihnen überlassen. Wiesflecker bezeichnet die Maßnahme als ersten und wichtigen Schritt. Bei der Frage nach einer Ausweitung auf alle rund 200 Pflegefamilien, wie dies der Gewerkschaft vorschwebt, hält sie sich bedeckt.