Erwin Wurm wird 70

Mit “fettleibigen Autos” zum Welterfolg.
Wien Der am 27. Juli 1954 in Bruck an der Mur geborene Erwin Wurm ist mit seinen Werken weltweit in etwa 100 Museen vertreten. Derzeit bereiten er und sein Team Ausstellungen in China, Belgien und Italien sowie eine große Retrospektive im Wiener Museum Albertina vor.
Doch Wurm wurde nicht nur durch Erfolge im Kunstbetrieb bekannt, sondern auch durch ein Musikvideo der Red Hot Chili Peppers, das sie 2003 zu ihrem Song “Can’t Stop” veröffentlichten. Darin stecken Mitglieder der US-Band kopfüber in einem Eimer, sitzen in Mülltonnen oder tragen Plastikflaschen unter den Armen und zwischen den Beinen.
Inspiriert wurde das Video von Wurms “One Minute Sculptures”. Bei diesen Kurzzeit-Skulpturen führt das Publikum nach einer knappen schriftlichen Anleitung Aktionen aus und wird so selbst zum Kunstwerk. Wurm gab der Band die Erlaubnis, seine Arbeiten zu zeigen und erreichte damit viele Menschen, die sonst mit Kunst wenig am Hut haben. “Ich glaube, dass zeitgenössische Kunst nicht nur für Galerien und Museen gemacht ist, sondern auch für Räume außerhalb des Kunstbetriebs”, erklärt Wurm.
Die Kreativität wurde Erwin Wurm nicht in die Wiege gelegt. Der Vater war Kriminalpolizist und ermittelte unter anderem in Mordfällen. Seine kleinbürgerliche Kindheit verarbeitete der Künstler später mit dem detailgetreuen, aber extrem schmalen Nachbau seines Elternhauses in der Steiermark, das er auf etwa einen Meter zusammenquetschte.
Wurm, der bereits als Kind kleine Skulpturen bastelte und als junger Mann in Salzburg und Wien Kunst studierte, verfremdet häufig Alltagsobjekte. Dazu gehören seine sogenannten fettleibigen Autos, deren Karosserien geradezu überquellen. Außerdem Häuser, die wie Brie-Käse schmelzen, Skulpturen von Gurken und Würsten, riesige Strickwaren oder auch Handtaschen mit Beinen.
In Wurms Werk gibt es nicht nur gesellschaftskritische, sondern auch einige politische Arbeiten. 2003 forderte er Ausstellungsbesucherinnen- und besucher auf, sich einen Pullover über den Kopf zu ziehen und “ein Terrorist zu sein”. 2017 stellte er für die Biennale in Venedig einen senkrechten, begehbaren Lastwagen auf, um auf das Migrationsthema aufmerksam zu machen. Für seine klar politischen Werke sei er jedoch “niedergemacht” worden, deshalb habe er keine Lust mehr auf solche Arbeiten, erklärt er der dpa.
Sowohl bei der Terrorismus-Aktion als auch bei dem Lastwagen handelt es sich um Beispiele der bereits erwähnten “One Minute Sculptures”. In Venedig kletterte das Publikum durch das dunkle Innere des Fahrzeugs auf eine Aussichtsebene. Dort stand Wurms Anweisung auf einer kleinen Tafel: “Stehe still und blicke über das Mittelmeer”.
Bei anderen Einminuten-Skulpturen lädt Wurm zur Reflexion über den eigenen Körper ein, etwa wenn zwei Menschen in einen großen Pullover schlüpfen sollen, oder wenn man aufgefordert wird, sich hinzulegen und mit einer Flasche WC-Reiniger auf dem Kopf über die Verdauung nachzudenken.
Diese spielerischen Arbeiten seien “sehr nah am Klamauk gebaut, das ist mir klar”, gibt Wurm zu. Doch viele Besucherinnen und Besucher würden ihm erzählen, dass sich bei ihnen durch die Umsetzung solcher Mini-Aktionen bestehende Perspektiven und Verhältnisse verschieben würden.