Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Worauf es ankommt

27.09.2024 • 16:24 Uhr

Eine Zeit lang hat man glauben können, Österreich komme ganz gut durch all die Krisen, von Corona bis Teuerung. Durch internationale Vergleiche mag das relativiert werden, alles in allem ist die Arbeitslosigkeit jedoch niedrig und der Wohlstand nach wie vor sehr groß. Was will man mehr?
Der Haken: Mehr und mehr wird deutlich, dass bei weitem nicht alles gut ist. Dass Teile der Gesellschaft eine ganz andere Wahrnehmung haben. Bei Menschen, die sich selbst der Arbeiterschicht zuordnen, sagen drei Viertel, dass sich ihr persönlicher Lebensstandard verschlechtert habe. In der unteren Mittelschicht tut das mehr als die Hälfte. Auch die Erwartungen für die kommenden Jahr sind überwiegend negativ. Das haben Eurobarometer-Befragungen ergeben. Aussagekräftig ist außerdem, dass es immer weniger Geburten gibt. Mittlerweile weiß man, warum. Ein Grund ist, dass junge Paare aufgrund all der Unsicherheiten der Zeit zögern, ein Kind in die Welt zu setzen. Das zeigt vielleicht sogar am besten, wie schwarz zu viele für die Zukunft sehen.

„Als wären Klimaschützer und Ausländer schuld an allem Übel. Es ist brandgefährlich.“

Es gibt Leute, die sagen, unter Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) habe es Anfang der 2000er Jahre die letzten großen Reformen gegeben. Damit gemeint sind Maßnahmen zur längerfristigen Sicherung des Pensionssystems. Fakt ist, dass sich nach Schüssel zunehmend eine Tendenz hin zu Wohlfühlpolitik oder gar Populismus entwickelt hat, von der es nur selten Abweichungen gibt.
Jetzt, da riesige Herausforderungen in einer nicht enden wollenden Serie deutlich werden, ist das verhängnisvoll geworden. Man sollte das Budget sanieren. Man sollte den Klimaschutz verstärken und bei Zuwanderern, bei denen es nötig ist, mehr zur Integration tun. Das passt gar nicht zu Wohlfühlpolitik, geschweige denn Populismus. Zumal es auch nicht direkt einer Masse entspricht, die bereits krisenmüde ist und ohnehin schon befürchtet, dass alles den Bach runtergeht. Schlimmer: Da bilden sich Gegenbewegungen, die sich gegen Klimaschützer und zunehmend auch Ausländer richten. Als wären sie schuld an allem Übel. Es ist brandgefährlich.

Immerhin bietet die Nationalratswahl jedoch eine Gelegenheit, sich derlei vor Augen zu führen und Kräfte zu stärken, die die Dinge nicht einfach weiter laufen lassen oder gar zündeln, sondern verantwortungsvoll in dem Sinne agieren, dass sie sich darum bemühen, dass wieder mehr Menschen den Kopf aufrichten, zur Überzeugung gelangen, dass die fetten Jahre vielleicht vorbei sind, künftige jedoch passabel werden können, wenn man die Ärmel aufkrempelt und anpackt; und wenn man den gesellschaftlichen Zusammenhalt unabhängig davon stärkt, ob ein Migrationshintergrund vorliegt oder nicht. Da kommt es auf jede Stimme an.

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.