“Ich habe so manche Träne in den See hinein geweint”

03.11.2024 • 08:00 Uhr
Josefa Palme
Josefa Palme-Stúmpe (86) wagte noch im hohen Alter einen Neuanfang. Die Witwe zog Anfang des Jahres von Bad Ischl nach Bregenz.

Das Leben von Josefa Palme-Stúmpe (86) war bewegt. Sie führte mit ihrem Mann ein großes Hotel in St. Wolfgang am Wolfgangsee.

Bregenz Josefa Palme-Stúmpe (86) wagte noch im hohen Alter einen Neuanfang. Die gebürtige Deutsche zog heuer im Februar von Bad Ischl nach Bregenz. „Meine Tochter und mein Sohn leben in Amerika. Sie wollten, dass ich in die Nähe des Flughafens Zürich ziehe, damit sie mich schneller und einfacher erreichen,“ nennt die Neo-Bregenzerin den Grund für ihren Umzug.

Ins schöne St. Wolfgang gezogen

Josefa zog in ihrem Leben mehrmals um. Geboren und aufgewachsen ist sie in Passau. Josefa wäre gerne Lehrerin geworden, aber es scheiterte am Geld. „Mein Vater konnte das Internat nicht bezahlen. Deshalb musste ich mir eine Lehrstelle suchen.“ Die junge Frau absolvierte eine Ausbildung zur Schneiderin. Nach der Lehre arbeitete sie einige Jahre in einer Hemdenfabrik. „Wir haben im Akkord Hemden genäht.“ Mit 19 wechselte sie ins Gastgewerbe. „Ich bin nach St. Wolfgang gegangen, weil es dort so schön ist. Ein großes Gasthaus engagierte mich als Buffetkraft.“

Josefa Palme
Josefa Palme-Stúmpe in jungen Jahren.

Mit 22 lernte sie ihren zukünftigen Mann kennen. „Charly betrieb drei Häuser weiter das Hotel Eden, ein großes Hotel mit 70 Betten. Ich saß manchmal bei ihm an der Bar.“ Der junge Hotelier gefiel ihr. „Charly war sehr sportlich. Er war Zehnkämpfer und Segler. Zudem fuhr er Wasserski und Alpinski.“ Charly und Josefa heirateten und gründeten eine Familie. Gemeinsam betrieben sie das Hotel Eden. „Mein Arbeitstag hatte 20 Stunden und begann um 5 Uhr morgens. Ich war die erste und die letzte am Arbeitsplatz.“ Das Hotel forderte ihren vollen Einsatz. „Ich habe so manche Träne in den See hinein geweint, weil man nichts hatte als die Arbeit. Der Sommer kam und man konnte keinen Tag weg. Das war zum Heulen.“ 31 Jahre lang ließ der Betrieb keinen Urlaub zu.

Josefa Palme
Charly Palme-Stúmpe, der Ehemann von Josefa.

Zu einer Zäsur kam es, als Charly mit 52 Jahren einen Unfall hatte. „Mein Mann fiel eine Treppe hinunter. Dabei erlitt er schwere Kopfverletzungen.“ Danach war Charly nicht mehr derselbe. Mühsam lernte er wieder gehen. Jetzt musste Josefa das Hotel allein führen. Nach fünf Jahren entschied sie sich dazu, den Betrieb zu verkaufen.“ Das Ehepaar zog nach Bad Ischl. „Jetzt konnte ich mich um meinen gehandicapten Mann kümmern.“ Das war der Beginn einer schönen Zeit. „Nun hatten wir Zeit zum Reisen.“ Dem Paar waren noch viele schöne gemeinsame Jahre geschenkt.

Josefa Palme
Die Witwe fühlt sich in ihrem gemütlichen Zuhause in Bregenz wohl.

Im Jahr 2018 starb Charly. „Beim Spazierengehen brach er auf der Straße zusammen. Herzinfarkt.“ Seinen Tod verkraftete Josefa schlecht. „Charly hinterließ eine große Lücke.“ Aber sie ist froh, dass er vor ihr starb. „Was hätte er denn allein gemacht?“ Nach seinem Tod war sie ein Jahr lang mit Gruppen auf Reisen. „Ich hielt es allein nicht aus.“

Josef Palme, für Martina Kuster
Die Ausfahrt mit der Rikscha begeisterte Josefa.

Inzwischen hat sie sich aber ans Alleinsein gewöhnt. Die Witwe fühlt sich wohl in ihrem neuen Heim in Bregenz. Ihre Wohnung ist gemütlich eingerichtet. Bilder von Jesus und seiner Mutter Maria schmücken ihr Wohnzimmer. Auch ein Rosenkranz baumelt von der Wand. Josefa ist sehr gläubig. Sie besucht jeden Tag die Messe in der Seekapelle. Über die Kirchengemeinde hat sie auch schon Freunde gefunden. „Nach dem Gottesdienst gehen meine Freundinnen und ich ins Café.“ Sie ist auch froh, dass sie heuer im August am Sozialprojekt „Ferien ohne Kofferpacken“(*) teilgenommen hat. „Dadurch konnte ich mehrere nette Menschen kennenlernen.“

Josef Palme, für Martina Kuster
Im Urlaub machte Josefa bei den Turnübungen rege mit.
  • Seit 2002 besteht für Bregenzer Seniorinnen und Senioren die Möglichkeit, einige Tage günstig Ferien zu machen. Die älteren Menschen werden von zu Hause mit dem Taxi abgeholt, ins Kloster Mehrerau gebracht und am Abend wieder heim chauffiert. Spiele machen, Basteln, Tanzen im Sitzen, Singen, Spaziergänge, Rikscha-Ausfahrten und gemeinsam eingenommenen Mahlzeiten, wie Frühstück, Mittagessen und Kaffeejause, das alles erwartet die Urlauber in diesen vier Ferientagen. Eine finanzielle Unterstützung durch die Stadt Bregenz ermöglicht es, die Teilnahmegebühr bei knapp 200 Euro pro Person zu halten.