Der Stehhaufmann: “Ich war kurz davor, aufzugeben”

Gerd Walkensteiner fand beim Sozialunternehmen Integra seinen Rettungsanker.
Lauterach Das Leben hat es mit Gerd Walkensteiner (63) nicht immer gut gemeint. Es war geprägt von wenig Kindheit und viel Arbeit. Aufgewachsen in Kinderheimen und bei Zieheltern musste er schon als kleiner Bub anpacken. Die schulische Bildung kam dabei viel zu kurz.
Dennoch begann Gerd Walkensteiner eine Lehre als Karosseriebauer, bis ihn ein Arbeitsunfall, bei dem seine Wirbelsäule schwer verletzt wurde, zur Aufgabe zwang. Hilfe gab es für ihn danach kaum, doch er stand immer wieder auf. Es spricht kein Groll aus seinen Worten, wenn er davon berichtet, denn er konnte mit der Vergangenheit seinen Frieden machen. Dank dem Integra-Projekt „Basic“ kam Gerd Walkensteiner auch zu einer Pension, die ihm das Auskommen sichert. „Heute stehe ich mit einem Lächeln da, mache was geht, und wenn es nicht geht, dann halt nicht“, hat der Lauteracher gelernt, auf sich selbst zu achten.
Mit Stützgürtel gearbeitet
Gerd Walkensteiner hat Kaffee aufgesetzt. Italienische Art. Espressokocher. Dazu serviert er eine Himbeerroulade. „Selbst gebacken?“ „Selbst gebacken“, wiederholt er stolz. Der großgewachsene Mann kann auch Vanillekipferl. Während seiner Zeit beim Sozialunternehmen Integra hat Gerd die Mitarbeitenden dort öfter mit süßen Köstlichkeiten überrascht. Er tat es gerne, denn: „Meine Zeit bei Integra war mein Rettungsanker.“ Jahrzehntelang arbeitete Walkensteiner, der über ein enormes handwerkliches Geschick verfügt, in den verschiedensten Bereichen. „Ich bin in ärmsten Verhältnissen und ohne funktionierende Familie aufgewachsen“, schildert er. Für ihn sei deshalb stets klar gewesen, dass „ich arbeiten musste“. Also arbeitete er, um durchzuhalten mit Stützgürtel. Irgendwann ging es dann aber nicht mehr. Jahrelange schwere körperliche Tätigkeiten forderten ihren Tribut. Ansuchen um Frühpension wurden jedoch abgeschmettert. „Einen Job fand ich wegen meiner schlechten Gesundheit ebenfalls nicht“, berichtet er ungeschönt. Die Hoffnungslosigkeit mündete in trüben Gedanken: „Ich war kurz davor, aufzugeben.“ Zwei Brüder hatte Gerd davor schon durch Suizid verloren.

2021 kam Gerd Walkensteiner schließlich zur Integra und ins Projekt „Basic“. Dabei handelt es sich um ein niederschwelliges AMS-Beratungsangebot für langzeitarbeitslose Menschen. Kernaufgabe ist es, Vermittlungshindernisse zu reduzieren. Bei Walkensteiner ging es vorrangig um die Abklärung einer möglichen Pensionierung aufgrund seiner gesundheitlichen Beschwerden. Es wurde gerechnet und geprüft, und letztlich konnte der Integra-Klient fast zwei Jahre früher in den wohlverdienten Ruhestand. Lange darbte der zweifache Vater und Großvater am Existenzminimum. Heute ist er zufrieden mit dem, was er bekommt.

Große Dankbarkeit
Viel Unterstützung erhielt er in der schwierigen Zeit von seiner Lebensgefährtin. „Es gab zum Glück immer wieder Menschen, die mir geholfen haben“, ist Gerd Walkensteiner jedem von ihnen von Herzen dankbar. Auch, um diese Dankbarkeit in Worte zu kleiden, erzählt er seine Geschichte. Natürlich hätte er sich das Leben anders vorgestellt. Etwas leichter. Etwas einfacher. Doch er nahm es an, wie es kam. „Ich bin sehr froh, dass ich noch laufen kann.“ Es sind solche Dinge, die für ihn zählen. Er arbeitet im Garten und hilft den Kindern. Gerd hätte auch gerne einen Vater gehabt, doch der war kaum präsent. Umso mehr freut ihn, dass er für seine Kinder da sein kann. Sein bescheidener Wunsch fürs Alter: „Ich möchte noch ein paar schöne Jahre haben.“

Zur Person
Gerd Walkensteiner
Alter: 63
Beruf: Pensionist
Wohnort: Lauterach
Familienstand: Lebensgefährtin, zwei Kinder und zwei Enkelkinder

