Ich gehe nicht unter

VN-Kommentar von Walter Fink.
So lautet der Wahlspruch des Klosters Wettingen-Mehrerau: „Non mergor“ – Ich gehe nicht unter. Der Satz geht nicht auf das Kloster Mehrerau, sondern auf jenes von Wettingen in der Schweiz zurück. Der Rapperswiler Freiherr Heinrich II. geriet bei einem Kreuzzug im 13. Jahrhundert in Seenot und wurde auf wundersame Weise gerettet. Er stellte seine Besitztümer in Wettingen für ein Kloster zur Verfügung, aus dem persönlichen Erlebnis Heinrichs wurde der Wahlspruch gewählt. Und auch beibehalten, als die Zisterzienser Wettinger Mönche 1854 das aufgelassene Bregenzer Benediktiner-Kloster Mehrerau übernahmen. Seit damals behüten die Wettinger Mönche die Mehrerau, seit kurzem renovieren sie das Kloster von Grund auf. Bereits fertig ist die Abteikirche, eine der schönsten Kirchen der Moderne in weitem Umkreis.
Der Bildhauer Herbert Albrecht, der Anfang 1960 an seiner großartigen Portalplastik der Mehrerau arbeite, erzählte mir später von einem Treffen mit Hans (Jean) Arp, damals ein Weltstar in der Kunst, in Basel. Albrecht wollte ihn als Gestalter des Tabernakels in der Mehrerau gewinnen – ein eigentlich fast unmögliches Unterfangen. Beim Spaziergang durch Basel verwies Arp auf verschiedene Brunnen und die dort angebrachten Figürchen, für ihn „ein pervertiertes Menschenbild“. Und er sagte zu Albrecht: „Besonders diese nackten Männer, Frauen und Kinder aus Stein und Bronze, die auf Plätzen und in Gärten aufgestellt sind und die unermüdlich tanzen, nach Faltern jagen, Pfeile abschießen, Äpfel anbieten, Flöte blasen, sind der vollkommene Ausdruck einer unsinnigen Welt.“ Kurz: Mit solchen Dingen wollte Arp nichts zu tun haben. Als ihm Albrecht die Idee der Mehrerau schilderte, auch Fotos zeigte, da stimmte Arp überraschend zu.
Heute steht der in schwarzem und weißem Stein gehaltene Tabernakel wieder im Zentrum der strahlenden, neu renovierten Kirche. Eine schlichte, aber großartige Arbeit eines großen Künstlers, die allein einen Besuch der Abteikirche wert ist. Der Tabernakel hat in der Kirche nach Plänen des Bregenzer Architekten Hans Purin einen würdigen Platz gefunden – und auch nach der Renovierung behalten. Wie überhaupt die ganze Renovierung als Gesamtkunstwerk gelobt werden kann. Man muss schon genau schauen, um Änderungen festzustellen. Am offensichtlichsten ist, dass die Seitenaltäre geschlossen und zu Beichträumen sowie einem Reliquienraum umgestaltet wurden, ebenso wurde die Kirche gereinigt, wodurch sich die Pilasterlesinen wieder klar von der Wand abheben und die Strukturierung des Raums hervortreten lassen. Der Großteil des Neuen ist nicht sichtbar, aber spürbar: Eine Akustikanlage, eine Bankheizung oder ein neues Lichtsystem. Ganz neu sind zwischen Ost- und Westflügel zusätzliche Räume für Meditation und für Gäste, die vermehrt im Kloster willkommen sind. Ein besonders Beispiel für neue Kirchenbaukunst am Rande der Stadt – wohltuend, einladend, spirituell. Alles, was ein Kloster so besonders macht.