Wie Genet trotz Hörbehinderung und Diskriminierung ihren Weg fand

Genet Epp wurde als Baby adoptiert. Es stellte sich heraus, dass das Kind schwerhörig ist.
Bildstein Genet Epp (19) wurde in Gondar geboren, das ist eine Stadt im Nordwesten Äthiopiens. Nach der Geburt starb ihre leibliche Mutter. “Eine Ärztin fand mich auf der Straße und gab mich in einem Waisenhaus ab.” Genet war sechs Monate alt, als sie von dem Ehepaar Petra und Martin Epp aus dem Bregenzerwald adoptiert wurde. “Drei Jahre vorher hatten sie Rebka aus Addis Abeba adoptiert. Diese hatte sich eine Schwester gewünscht.” Die Adoptivkinder wuchsen in Bezau auf. “Meine Eltern waren liebevoll und schenkten mir eine unglaublich schöne Kindheit.”

Als Genet dreieinhalb Jahre alt war, fiel ihren Eltern auf, “dass ich nicht deutlich reden konnte”. Gleichzeitig bemerkten sie, dass ihre Tochter nicht gut hörte. “Wenn Mama mich rief, hörte ich es nicht.” Beim Arzt stellte sich dann tatsächlich heraus, dass das Mädchen ein schlechtes Gehör hatte. „Ich bekam lilafarbene Hörgeräte und musste zu Hör- und Sprachtherapeuten gehen.” Mit zehn Jahren wurde ihr im Kopf ein Cochlea-Implantat eingesetzt, das ist ein elektronisches Hörimplantat, welches Menschen mit stark eingeschränktem oder nicht vorhandenem Hörvermögen helfen kann, wieder zu hören.

In der Pubertät schämte sich Genet für ihre Hörhilfen. Heute, mit 19 Jahren, ist ihre Einstellung dazu eine andere. „Ein Hörgerät ist kein Zeichen von Schwäche. Für mich war es ein Schritt zurück ins Leben. Ich habe gelernt, dass es mutig ist, sich selbst die Chance zu geben, wieder alles zu hören, nicht nur die Stimmen um mich herum, sondern auch meine eigene Stimme.“

Trotz ihrer Hörbeeinträchtigung und so mancher Diskriminierung wegen ihrer Hautfarbe ist Genet immer unbeirrt ihren Weg gegangen. Sie besuchte die Volks- und Mittelschule im Landeszentrum für Hörgeschädigte. “Dort wurde ich gefördert. Ich bekam jegliche Unterstützung.” Danach absolvierte sie die Landwirtschaftsschule in Hohenems. “Als Kind hatte ich viele Träume. Unter anderem wollte ich Bäuerin werden.”

Doch ihr Berufswunsch wandelte sich im Lauf der Zeit. “Ich bin ein sozialer Mensch und möchte anderen Menschen helfen und für sie da sein.” Deshalb besucht sie heute die Schule für Sozialbetreuungsberufe in Bregenz. “Die Schule gefällt mir. Die Praktika im Spital, im Pflegeheim, in Familien und im Kindergarten sind genau meins.” In der Zukunft sieht sie sich als Sozialarbeiterin in verschiedenen Familien arbeiten.

Zurzeit ist Genet richtig glücklich, und das nicht nur wegen ihrer Freundin Julia, mit der sie seit gut einem Jahr zusammen ist. “Ich bin stolz darauf, dass ich es trotz meiner Hörbeeinträchtigung weit gebracht habe.” Einen großen Anteil daran hatte ihre Familie. “Meine Eltern und meine Schwester Rebka haben mich immer unterstützt. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie dankbar ich ihnen bin. Ich liebe sie unendlich.”
Genet Epp
geboren 25. Dezember 2005 in Gondar (Äthiopien)
Wohnort Bildstein
Familie in Partnerschaft mit Julia
Hobbys Biken, Spazierengehen
Lebensmotto Lebe für dich und nicht für die anderen