“Der Mensch ist keine Maschine”

17.06.2025 • 17:41 Uhr
Interview Gesundheitsjournalist Martin Rümmele
Seit fast 30 Jahren begleitet Martin Rümmele die Entwicklung des österreichischen Gesundheitssystems und spart nicht mit Kritik an den Vorgängen. VN/Rhomberg

Gesundheitssystem darf nicht nur als Kostenfaktor betrachtet werden.

Schwarzach Er gilt als ein ausgewiesener Kenner des österreichischen Gesundheitswesens. Seit fast 30 Jahren schon legt Martin Rümmele (55) immer wieder den Finger in schwärende Wunden. Zu teuer, zu ineffizient, zu wenig Personal, schlechte Arbeitsbedingungen: Solche Schlagzeilen prägen das Thema, verschärft jetzt noch durch den Spardruck, der auch in Vorarlberg zum Tragen kommt. Wie berichtet, stehen 14 Spitalsabteilungen zur Disposition, darunter die Kinder- und Jugendabteilung im LKH Bregenz sowie die Geburtenstation im LKH Bludenz. Bei sechs Krankenhäusern auf knapp 70 Kilometern sind Debatten um die Zusammenlegung von Abteilungen laut Rümmele durchaus legitim.

Was ihn jedoch stört ist, dass Gesundheit und die Beschäftigten dort fast ausschließlich als Kostenfaktor gesehen werden. Das führe zu Frustrationen. „Wir müssen Gesundheit anders denken“, betonte er im VN-Gespräch, denn Gesundheitsausgaben würden sich zum Großteil wieder durch Inputs an die Wirtschaft amortisieren. Rümmele spricht von einem Bereich mit Potenzial. Sein neues Buch „Krank gespart“ soll dafür Bewusstsein schaffen: „Es braucht ein Umdenke, und das müssen viele Menschen hören und wahrnehmen.“

Interview Gesundheitsjournalist Martin Rümmele
Martin Rümmele präsentierte sein neues Buch “Krank gespart” auch in Vorarlberg.

Mangel an Zeit

Mit einem Schmunzeln bemerkt der Gesundheitsjournalist, dass Umstrukturierungen im Gesundheitssystem in Vorarlberg schon seit Jahrzehnten diskutiert würden. Doch das sei in anderen Bundesländern auch der Fall. Optimieren, automatisieren, digitalisieren: „Alles soll effizienter werden. Dabei wird vergessen, dass es um die Behandlung von Menschen geht, und der Mensch ist keine Maschine.“ Woran es laut Martin Rümmele vor allem fehlt, ist Zeit. „Die brauchen auch die Beschäftigten. Weil sie die im Optimierungswahn aber nicht bekommen, gehen sie“, macht er eine einfache Rechnung auf. Er kritisiert, dass sich Spitalsträger von Beratern sagen lassen, „die im Übrigen allen das Gleiche erzählen“, was an Versorgung gebraucht wird. Das schüre Ängste in der Bevölkerung und bei den Mitarbeitenden.

Das Potenzial sehen

Laut Rümmele sind im Bereich der KHBG aktuell drei Prozent der Pflegestellen nicht besetzt, was bedeutet, dass sechs Prozent der Betten ungenutzt bleiben. „Leute gehen in einen Gesundheitsberuf, weil sie Menschen helfen wollen. Doch das spielt sich oft nicht, weil die Rahmenbedingungen mangelhaft sind. Dann suchen sie sich Alternativen“, weiß Rümmele aus Umfragen. Dabei brauche es besonders in diesen Berufen Idealismus, um gute Medizin machen zu können. „Baut jemand einen Tunnel, redet man von Investition. Die Beschäftigten im Gesundheitswesen hören hingegen nur, dass sie kosten.“ Martin Rümmele wehrt sich dagegen, das System krankzureden: „Wir sollten vielmehr das Potenzial sehen, dann kommen auch die Leute wieder.“ Er jedenfalls werde nicht aufhören, zu rufen.