Einmal in die Gänge kommen

Das aktionstheater ensemble präsentierte im Theater Kosmos „Ragazzi del Mondo. Nur eine Welt“.
Bregenz Da geht’s gleich schon einmal im Intro ordentlich zur Sache: „Ich habe mal einen Mann gezwungen, dass er sich selbst kastriert“, so Kirstin (Schwab). Die fünf Protagonisten, Kirstin, Zeynep Alan, Isabella Jeschke, Benjamin Vanyek und Thomas Kolle, sie tragen im Stück ihre Vornamen, sind wieder ganz auf aktionstheater „eingestellt“ und sind in ihrer Darbietung bravourös. Eine locker zusammen gewürfelte Truppe, die sich gegenseitig bis zum Exzess hinaufschaukelt, und sich scheinbar ab und zu gewaltig auf die Nerven gehen, so wie eben im richtigen Leben. Natürlich könnte man den einzelnen Akteuren Charaktere zuordnen, aber irgendwie sind alle alles und wiederum das Gegenteil davon. Einzig Thomas Kolle mimt den kindlich naiven, der nahezu an allem unbeteiligt zu sein scheint und dadurch eine Art Konstante in den Aufführungen des aktionstheaters der letzten Jahre bildet. Keine Angst, aber dieses Mal ist es nicht er, der sich entblößt, aber jemand anderer wird sich ausziehen. Die Themen, die im Stück angeschnitten werden, sind allesamt bekannt, allerdings überholte die Wirklichkeit, ohne dass Martin Gruber es auf dem Plan hatte, rechts außen das Stück. Die Rede ist vom Amoklauf eines 21-jährigen an der Grazer Schule Dreischützengasse. Aber das macht wahrscheinlich auch einen hervorragenden wie sensiblen und „gspürigen“ Regisseur wie Martin Gruber aus. Sein Blick in die Zukunft, in das was kommen könnte. Aber dafür hat das aktionstheater wohlweislich Vorsorge mit der Verslesung eines Textes getroffen, der hier in ganzer Länge abgedruckt ist: In unserer Arbeit „Ragazzi del Mondo.

Nur eine Welt” wird, auch vor der Kulisse internationaler Kriegsszenarien, unter anderem die gestiegene Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft thematisiert. Sämtliche Textpassagen, wie etwa die Tatsache, wie leicht es ist in Österreich an Waffen zu gelangen, sind im Laufe des Probenprozesses entstanden und somit keine direkte Reaktion auf die jüngste Tragödie des Amoklaufes in Graz. Es handelt sich im Stück also um Reflexionen auf das allgemeine Zeitgeschehen. All jenen, die aufgrund des Kontextes des Stück und des tragischen Ereignisses in Graz unsere Produktion nicht ansehen wollen, bitte wir sich unter info@theateramwerk.at bezüglich eines Alternativangebotes zu melden. Unser Mitgefühl gehört den Opfern, ihren Angehörigen und den Freund:innen.“ Und das ist gut so. Es geht also um Waffenbesitz, um eine Hasenjagd in den Staaten (eine sogenannte „Mühlviertler Hasenjagd“ gab es im Februar 1945, allerdings ein euphemistischer Name eines Kriegsverbrechens im nationalsozialistischen Österreich), das Schlachten von Tieren, die Besorgungen des alltäglichen Daseins, um das Schicksal der Oma von Thomas, der es nicht schaffte, sie von dort wegzubringen, obwohl sie ihn darum gebeten hat, den Fuchsbandwurm, der einem vormaligen Demokraten in den USA, jetzt Republikaner, das Hirn weggefressen haben soll, und dann auch einmal was Positives „da freuen wir uns, dass das Arschloch nicht Kanzler geworden ist“, wer immer damit gemeint sein soll. Das gut 70-minütige Stück wird immer wieder mit harten Beats (Andreas Dauböck) und einem tollen Gesang (Pete Simpson) sowie eingängig repetitiven Choreografien garniert. Ein Abend für die Sinne und für den Denkappart. Viel Applaus.
Thomas Schiretz
Ragazzi del Mondo
28., 29.6., jeweils um 20 Uhr
Theater Kosmos Bregenz
www.aktionstheater.at