Kommentar: Klang vergangener Zeit

27.06.2025 • 11:00 Uhr
PK, Landestheater, Pressekonferenz anlässlich eines gemeinsamen Projekts mit dem Franz-Michael-Felder-Verein und Autor Felix Mitterer, Walter Fink und Stephanie Gräwe

VN Kommentar von Walter Fink.

In einer Volkszählung Anfang der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde festgestellt, dass nicht einmal mehr 17 Prozent der Einwohner von Bregenz in dieser Stadt auch geboren wurden. Die Zahl dürfte sich inzwischen noch deutlich verringert haben. Wir können also heute davon ausgehen, dass etwa neunzig Prozent der Bregenzerinnen und Bregenzer zugezogen sind – viele vor langer Zeit. So wundert es auch nicht, dass in der Landeshauptstadt die alte Bregenzer Mundart nahezu völlig verschwunden ist. Seit wenigen Tagen ist das noch deutlicher geworden, denn einer der letzten, der die alte Sprache noch beherrscht hat, ist im begnadeten Alter von 91 Jahren verstorben: Walter Gasser. Ein Urgestein des Bregenzer Faschings (Walter Gasser wurde an einem Rosenmontag geboren!), der Fasnat, würde er sagen, Urheber zahlloser Gedichte zu verschiedensten Anlässen, verlässlich aber zu jedem „Gumpiga Dunnschtag“, ein Bewahrer der alten Sprache – nicht nur im Gedicht, auch im Gespräch – ist nicht mehr. Mit ihm verließ uns – nach Wolfgang Rusch und Walter Lingenhöle – der vielleicht letzte Vertreter des alten Bregenzer Dialekts, jener Sprache also, deren herausragender Vertreter Kaspar Hagen (1820 bis 1885) war.

Vor fünf Jahren ist im Hecht Verlag ein Büchlein mit Gedichten von Walter Gasser erschienen, „Mi Breagaz – Übr d‘ Lit und vo dr Zit“, darin enthalten auch einige Bemerkungen „Übr mi“, also Biographisches. Geburt in der Mehrerau, dann Pflichtschule, Untergymnasium und schließlich Handelsschule in der Mehrerau. „Briefmarkasammla, Fischa, Singa, Baschtla, des hon i gern to.“ Als Kaplan Hugo Kleinbrod 1951 das Vorarlberger Kinderdorf gründete, war auch Walter Gasser mit dabei. Er blieb es bis zur Pension als Leiter des Kinderdorfs. Neben all dem war Walter Gasser immer in der Fasnat, 1961 sogar als Faschingsprinz Ore der V. Immer auch mit Gedichten. „I hon am Schnorrapfohl a klä globt, a klä gläschtarat und a klä gschnorrat.“ Viele Anlässe gab es neben dem Fasching, kaum ein Ereignis in Bregenz ohne ihn.

Walter Gasser war aber mehr als ein Gelegenheitsdichter, er war ein Bewahrer der alten Sprache, er hielt den Klang des alten Bregenz aufrecht, er erinnerte daran, dass es da eine Sprache gegeben hat, der wir uns manchmal besinnen sollten. Nicht in musealer Form, sondern im Hören, im Lesen, bestenfalls im Sprechen. So habe ich es immer genossen, wenn ich Walter Gasser in der Stadt begegnet bin, seine Sprache gehört habe. Lieber war mir, wenn er geredet, erzählt hat, ihn wollte ich hören, nicht meinen Beitrag zum Gespräch. Es war tatsächlich wie ein Klang aus vergangener Zeit. Und immer wieder im Mittelpunkt: Seine Stadt, sein Bregenz. Auf Bregenz gibt es auch ein Gedicht, „Mi Breagaz“, das von Markus Brändle vertont und mehrfach vom Bregenzer Männerchor aufgeführt wurde. Walter Gasser wird fehlen in dieser Stadt, seine Stimme wird fehlen. Weit und breit niemand, der ihn ersetzen kann. Und er wird mir fehlen.