Schubert für immer

VN-Kommentar von Walter Fink.
Wenn Schubertianer unter sich sind, erzählen sie gerne diesen Vergleich: Beethoven und Mozart waren Genies – Schubert aber war ein Gott. Bezogen ist das nicht nur auf das geistliche Werk von Franz Schubert, sondern ganz einfach auf die Musik. Und gerade wir in Vorarlberg wissen, wie sehr Schubert eine eingeschworene Gemeinde hinter sich versammelt, eben die Schubertianer, die alljährlich zur Schubertiade in Hohenems und Schwarzenberg pilgern. Und das, obwohl es keinen Hinweis auf einen Bezug von Franz Schubert zu Vorarlberg gibt. Den allerdings reklamiert die an Wien grenzende Gemeinde Perchtoldsdorf für sich, die darauf verweist, dass Franz Schubert oft zu Wein und Gesellschaft zu Besuch, ja fast schon Perchtoldsdorfer war. Das jedenfalls kann man in einem (übrigens sehr guten) Programmheft lesen, das zu einem vor Kurzem uraufgeführten Stück von Peter Turrini in der Burg Perchtoldsdorf aufgelegt wurde: „Schubert für immer und ewig“. Seit fast einem halben Jahrhundert finden in dieser Burg Sommertheater statt, seit drei Jahren unter der Intendanz von Alexander Kubelka, dem früheren Intendanten des Vorarlberger Landestheaters.
„Meine Sehnsucht ist wach am Morgen, ist hungrig zu Mittag, nicht müde am Abend und schläft nicht zur Nacht.“ So beginnt der Text von Peter Turrini – und so ist wohl auch Franz Schubert gut charakterisiert. Die Sehnsucht spricht aus fast allen seinen Liedern – die Sehnsucht im Leben und zum Tod. Die Lieder Schuberts – meist in erkennbarer Verfremdung und meist ausgewählt von Kubelka – spielen im Theater eine maßgebliche Rolle, am Klavier großartig präsentiert von Clara Frühstück, im Gesang – nicht zuletzt als allgegenwärtiger Tod – nahe am Countertenor einprägend interpretiert von Oliver Welter. Nicht nur überzeugend, sondern im Äußeren fast zu verwechseln Stephan Bieker als leiser, schüchterner Schubert, der sich nie getraut, seiner Angebeteten (Lenya Gramß) seine Liebe zu gestehen – und letztlich daran zugrunde geht. Turrini zeigt die letzte Landpartie Schuberts, ausgestattet mit vielen Rätseln, wechselnd zwischen Realität, Wunsch und Illusion. Bei aller Tragik ist Turrini ein liebevoller Text zu Schubert gelungen. Er nimmt die Besucher mit in Schuberts Welt, in seine erfolgreiche Leidenschaft für Musik ebenso wie in seine erfolglose für seine erklärte Liebe. Turrini und Kubelka räumen mit dem berühmten „Dremäderlhaus“, der romantischen Film- und Romanvorlage zu Schuberts Verhältnis zu Frauen, auf und zeigen den verzweifelten Schubert, der an seinen eigenen Wünschen zugrunde geht. Es bleiben die unsterblichen Melodien – und ein außergewöhnlicher Abend in Perchtoldsdorf.
Die Weingemeinde südlich von Wien hat übrigens nicht nur die Liebe zu Schubert mit Vorarlberg gemeinsam, am Hochberg in Perchtoldsdorf hat der Bregenzerwälder Bildhauer Herbert Meusburger den Kreuzweg geschaffen, der nicht nur eine beeindruckende Arbeit ist, sondern bei genauer Betrachtung durchaus auch den Leidensweg eines Menschen darstellt. Vielleicht jenen von Franz Schubert.