“Es bleibt kein Stein auf dem anderen!”

19.07.2025 • 07:51 Uhr
"Es bleibt kein Stein auf dem anderen!"
“Natürlich rechnen sich die Subventionen in die Bregenzer Festspiele”. APA/TOBIAS STEINMAURER

Interview mit dem kaufmännischen Direktor der Bregenzer Festspiele, Michael Diem.


Bregenz Am Freitag feierten die Bregenzer Festspiele ihre dritte Premiere in drei Tagen. Eine Koproduktion mit dem Burgtheater brachte eine Uraufführung von Ferdinand Schmalz: “bumm, tschak oder der letzte henker”. Aufgrund der kurzfristig vorgenommenen Subventionskürzungen muss die neue Partnerschaft allerdings für 2026 und 2027 gleich wieder ausgesetzt werden.

Die Festspiele haben eine Rekordsaison hinter sich und sind dennoch in finanziellen Problemen. Wie ist das erklärbar?

Diem: Bisher hat unser Konzept sehr gut funktioniert. Ich habe aber gewarnt: Wir dürfen die heutige Zeit mit ihrer Inflationsdynamik nicht mit früher vergleichen. Es bleibt kein Stein auf dem anderen! Innerhalb der letzten drei Jahre war die Steigerung bei uns mindestens 20 Prozent. Wir haben in den letzten fünf Jahren dreimal einen Gewinn und zweimal einen Verlust geschrieben. Im vergangenen Jahr hatten wir den höchsten Umsatz der Festspielgeschichte und dennoch einen Verlust. Dann ist es leicht zusammenzuzählen, dass die Zukunft schwierig wird, wenn jetzt zusätzlich auch noch eine Subventionskürzung kommt.

Wird die Arbeit der Bregenzer Festspiele von den Subventionsgebern nicht geschätzt?

"Es bleibt kein Stein auf dem anderen!"

Diem: Ich glaube, dass alle Subventionsgeber es sehr wertschätzen, was die Bregenzer Festspiele machen, sonst hätten wir etwa die dritte Baustufe von annähernd 80 Mio. Euro – von denen die Festspielr rund 7 Mio. aus Eigenem finanziert haben – nicht erhalten. Das war ein klares Bekenntnis zu den Bregenzer Festspielen. Damit haben wir uns für die nächsten 25 Jahre zukunftsfit gemacht. Wir sehen aber auch, dass offenbar überall der budgetäre Spardruck enorm groß ist. Aber natürlich war der Schritt, dass man ein bereits genehmigtes Budget noch einmal aufmacht, für uns überraschend. Für 2025 und 2026 bedeutet das, dass wir jeweils 30 Prozent weniger Subventionen erhalten. Das sind jährlich 2,1 Mio., denn bis letztes Jahr haben wir 7 Mio. Euro per anno von Bund, Land und Stadt bekommen.

Für heuer haben Sie das bereits feststehende Programm retten können, indem Sie Rücklagen angreifen.

Diem: Ja, wir haben keine Immobilien, sondern Barrücklagen. Die brauchen wir aus budgetären Gründen. Wir spielen die nächsten beiden Jahre “La Traviata” und danach zwei Jahre “Der fliegende Holländer”. Wir haben also einen Planungshorizont von vier Jahren. Diese Verträge werden jetzt geschlossen! Unsere bisherige dreijährige Subventionsgarantie wird offenbar künftig jährlich interpretiert. Als Kaufmann einer privatrechtlich organisierten GmbH darf ich aber nicht mehr Geld ausgeben als ich habe. Ohne Rücklagen wäre das problematisch. Und es kann ja auch einmal zu Ertragsausfällen kommen, die wir überbrücken müssen.

Jeder investierte Euro in der Kultur kommt mehrfach zurück – durch Steuern, durch Wertschöpfung. Wissen die Politiker nicht, dass es daher doppelt unsinnig ist, hier zu sparen?

Diem: Die Politiker wissen das alles. Natürlich rechnen sich die Subventionen in die Bregenzer Festspiele – unter anderem deshalb, weil wir ganz viele Besucher aus Deutschland und der Schweiz haben. Ich glaube, die Politiker brauchen aber ganz dringend weniger Ausgaben – und zwar sofort. Das verstehen wir. Solidarität ist kein Fremdwort für uns. Auch wenn ich glaube, dass es besser wäre, wenn wir mehr Wertschöpfung nach Österreich bringen, indem wir unser Angebot ausweiten statt einzuschränken.

Gestrichen wurde etwa die für 2026 geplante Koproduktion mit dem Burgtheater, die erst heuer als Programmschiene eingeführt wurde. Schon wieder trifft es das Sprechtheater als erstes.

Diem: Es stimmt: Als wir nach “Andre Chenier” (2011/12) schon einmal eine Krise hatten, haben wir auch das Theater als erstes gestrichen. Das tut mir weh, aber wir sind nun mal im Kern ein Musiktheaterfestival. Theater ist die Kür. Die können wir uns fürs Erste nicht mehr leisten. Das wird auch für 2027 gelten. Wir planen also, unsere Burgtheaterkoproduktionen für zwei Jahre auszusetzen. Bei unseren Hauptproduktionen am See, im Festspielhaus und auf der Werkstattbühne werden wir großartig bleiben.

Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA