Kommentar: Hatti und die faulen Weiber
… oder, was unser neuer Wirtschaftsminister von der modernen Arbeitswelt versteht? Wenig, wie wir seit der unseligen Teilzeit-Sommer-Diskussion, angeleiert von Wolfgang Hattmannsdorfer, wissen. Seiner Ansicht nach ist es unmoralisch, Teilzeit zu arbeiten. Er maßt sich an, Menschen vorzuschreiben, wie sie ihr Berufsleben gestalten sollen. Das obwohl er aus einer Partei kommt, deren Frauenorganisation jahrelang gerade für mehr Teilzeitarbeitsmöglichkeiten geworben hat. Aber auch wenn er das nicht weiß: Sein Ansatz – nur wer Vollzeit arbeitet, ist ein vollwertiges Mitglied der Erwerbsgesellschaft – entspricht weder der gesellschaftlichen, noch der betrieblichen Realität. Teilzeitarbeit ist für viele Branchen ein wichtiger Faktor für betriebliche Flexibilität. Der Handel, der Dienstleistungs- und der Sozialbereich sowie die meisten Gesundheitsbranchen könnten ohne Teilzeitkräfte kaum mehr bestehen.
Teilzeitarbeit wird vorwiegend von Frauen geleistet. Vielfach gezwungener Maßen, weil sich das Angebot an Betreuungseinrichtungen nur langsam verbessert. Bezeichnenderweise war es gerade die Partei von Hattmannsdorfer, die jahrzehntelang Widerstand gegen gute Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geleistet hat. Weil ihrer Ansicht nach nur die Frau eine gute Mutter ist, die nicht arbeiten geht. Wer – wie ich – glaubte, diese erzkonservative Einstellung sei längst überwunden, sieht sich eines Besseren belehrt. In einer Zeit, in der immer mehr Menschen erkennen, dass Arbeit zwar wichtig, aber nicht das alleinige Maß für die Gestaltung eines guten Lebens ist, stoßen sich die Erzkonservativen in der ÖVP an der Teilzeitarbeit. Junge, gut ausgebildete Berufseinsteiger, arbeiten bewusst Teilzeit, weil es für sie auch noch andere, sinnvolle Dinge gibt. Nur in einem Punkt hat der Minister recht: Wer bewusst Teilzeit arbeitet, nimmt in Kauf, später weniger Pension zu bekommen. Zu dieser Erkenntnis bedarf es aber keiner besonderen ministeriellen Weisheit. Wer sich für Teilzeit entscheidet, ist in der Regel intelligent genug, auch die Nachteile dieser Arbeitsform zu sehen.
Hattmannsdorfer hätte allerdings genug zu tun, um jenen Menschen zu helfen, die gezwungener Maßen Teilzeit arbeiten. Beispielsweise durch die Schaffung eines Rechtsanspruchs auf Vollzeitarbeit nach monatelangen Überstundenleistungen oder durch deutliche Verbesserungen beim Betreuungsangebot für berufstätige Menschen. Das aber ist mühsam und schwierig. Deshalb nimmt er den einfacheren Weg und richtet den freiwilligen Teilzeitkräften durch die Blume aus, dass sie nur zu faul sind, einem Vollerwerb nachzugehen. Das zeugt von einer geradezu vorbildlich liberalen Gesinnung, die sich heute in der Politik nur noch selten finden lässt.
Rainer Keckeis ist ehemaliger AK-Direktor Vorarlberg und früherer Feldkircher VP-Stadtrat.
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