Warum es in Familien vor Weihnachten so oft kracht

Zwischen Wunsch, Harmonie und Stress wird Weihnachten für viele Menschen zum hochsensiblen Terrain
Die Lichter brennen, die Keksdosen füllen sich, die Kinder zählen ungeduldig die Tage – und dennoch steigt in vielen Familien gerade jetzt die Spannung. Die Adventzeit gilt als Zeit der Ruhe und Besinnung. In der Realität zeigt sich häufig das Gegenteil: Für viele Familien ist sie eine der herausforderndsten Phasen des Jahres. Konflikte nehmen zu, Erwartungen prallen aufeinander, und nicht selten endet der Heilige Abend mit Tränen statt Harmonie.
Das bestätigt auch das Team von PINA, einer Einrichtung, die sich seit Jahren mit dem Thema Autorität und Beziehungsgestaltung in Familien, Schulen und sozialen Institutionen beschäftigt. PINA arbeitet nach einem Ansatz, der in den 1990er-Jahren vom israelischen Psychologen Haim Omer entwickelt wurde und als “Neue Autorität” international bekannt ist. Dabei geht es um die Frage, wie Autorität in einer modernen, wertorientierten Gesellschaft gelebt werden kann – nicht durch Druck oder Kontrolle, sondern durch Präsenz, Klarheit und Beziehung.
Der Druck der perfekten Weihnacht
Warum Konflikte gerade jetzt so häufig eskalieren, steht für Martin Fellacher ganz klar fest: “Der zentrale Auslöser liegt in den überhöhten Erwartungen, die viele Menschen mit Weihnachten verbinden”, sagt der Leiter von PINA. “Jeder trägt ein Idealbild im Kopf – wie die Feiertage aussehen sollen, wie sich alle verhalten sollen, wie harmonisch alles ablaufen müsste”, doch diese Bilder sind selten deckungsgleich. Und wenn die eigenen Wünsche nicht erfüllt werden, führt das rasch zu Enttäuschung und Streit”, so der Experte weiter.
Hinzu kommt, dass Weihnachten in unserer Kultur nahezu unantastbar ist: Es soll schön sein. Es muss friedlich sein. Wird dieses Ideal nicht erreicht, fühlen sich viele zusätzlich unter Druck – und genau dieser Druck verstärkt Konflikte, anstatt sie zu lösen.
Materielle Fragen sind meistens nicht der Kern des Übels
Geldknappheit oder Geschenkestress sind für viele Familien ein Thema, doch laut PINA stehen materielle Faktoren selten im Mittelpunkt. Sie können Konflikte sichtbar machen, aber sie lösen sie nicht aus.
“Wenn Beziehungen stark über materielle Werte definiert sind, zeigt sich das rund um Weihnachten deutlicher. Doch Zuneigung lässt sich auf viele Arten zeigen – und besonders dann, wenn man keine teuren Geschenke machen kann, braucht es Kreativität statt Scham”, sagt Fellacher.
Ganz wichtig: Früh reden, ehrlich bleiben
Damit die Feiertage nicht zum emotionalen Stresstest werden, empfiehlt PINA ein bewusstes, frühzeitiges Vorbereiten – nicht nur organisatorisch, sondern auch emotional.
Wichtige Schritte:
- Früh über Erwartungen sprechen:
Was wünsche ich mir? Was ist mir wichtig?
Statt im Stillen zu hoffen, dass alle „eh wissen“, was man möchte. - Eigene Wünsche klar formulieren:
Nicht als Forderungen, sondern als Einladung zum Austausch. - Unterschiedliche Vorstellungen anerkennen:
Nicht jeder möchte dasselbe – und das ist in Ordnung. - Kompromisse suchen, bevor der Stress einsetzt.
PINA steht für Praxis und Innovation – neue Autorität und bietet in Workshops und Webinaren Methoden der Neuen Autorität an, die Familien dabei unterstützen sollen, Konflikte achtsam und wertschätzend zu lösen. Dabei gehe es immer um Beziehung, nicht um Durchsetzung: “Wenn ich mit Druck arbeite, verliere ich mein Gegenüber. Autorität bedeutet heute Präsenz, nicht Härte”, weiß Fellacher.
Wer frühzeitig über Erwartungen spricht, wer sich einander zuhört und wer bereit ist, Kompromisse zu finden, kann die Adventzeit entlasten – und die Feiertage so gestalten, dass sie nicht perfekt, aber für alle stimmig sind. Weihnachten gelingt nicht durch Perfektion, sondern durch Kommunikation.