„Ich habe im Klub schon den Ruf des Frauenverstehers“
Abgeordneter Sieber spricht im VN-Sommergespräch über seine Ausschussarbeit.
Bregenz. Norbert Sieber, Landwirt und ÖVP-Nationalratsabgeordneter, spricht mit den VN über fallende Milchpreise. Die Eigenmarken des Handels seien ein Riesenproblem, die EU-Sanktionen gegen Russland aber gerechtfertigt. Außerdem berichtet er über seine Arbeit im Gleichstellungsausschuss und erzählt, ob er Frauenwitze mag.
Herr Sieber, könnten Sie ohne Abgeordnetengehalt von der Landwirtschaft leben?
Sieber: Ja, aber es wäre schwierig. Wir stellen gerade auf Bio um, haben aber auch etwas Wald. Der Wald ist die Sparkasse des Landwirts. Ansonsten müssen Bauern auf den Markt hören.
Was fordert der Markt?
Sieber: Regionalität, Glaubwürdigkeit, Nachvollziehbarkeit, dazu vielleicht Bio, zum billigsten Preis. Das passt nicht. Deshalb müssen wir das Gespräch suchen, Landwirtschaft und Handel bilden eine Schicksalsgemeinschaft.
Welche Rolle spielen die Eigenmarken?
Sieber: Die sind ein Riesenproblem. Durch den Preisdruck kommt es zur Nivellierung nach unten. Ab einem Preisunterschied von 20 Cent gehen Marktanteile verloren.
Ist es pervers, dass Vorarlberger Landwirte die EU-Sanktionen gegen Russland spüren?
Sieber: Ja, aber es ist die logische Konsequenz der vernetzten Welt. Wie ginge es dem Vorarlberger Landwirt, wenn Putin die Krim ungestraft annektieren könnte? Das ist ein völkerrechtliches No-Go, ich stehe hinter den Sanktionen. Es wird aber einmal ein Ende geben müssen. Hoffentlich bald.
ÖVP-Länder und Bundespartei sind oft geteilter Meinung, Beispiel Mindestsicherung. Auf welcher Seite stehen Sie?
Sieber: Ich bin hier gewählt und weiß, wo ich daheim bin. Beim Thema Mindestsicherung müssen sich Regierung und Länder einigen. Und das ist nicht einfach. Niederösterreich und Oberösterreich sind auf der einen Seite der Skala, Vorarlberg steht auf der anderen mit einem sehr guten System.
Niederösterreich hat eine Einigung blockiert. Ist die Macht dieses Landes denn wirklich so groß?
Sieber: Natürlich, es ist das bevölkerungsreichste Bundesland. Auch die Macht Wiens ist immens. Zusammen mit der Steiermark und Oberösterreich sind das die potenten Player in der Politik. Da tut sich Vorarlberg etwas schwerer.
Innerhalb der ÖVP hat Pröll auch eine besondere Stellung.
Sieber: So wie Häupl in der SPÖ. Pröll ist der Chef der größten Landesorganisation. Ich wünsche mir aber, dass er mit dieser Kraft verantwortungsvoll umgeht. Der Innenministertausch von Sobotka und Mikl-Leitner hat mir vom Zeitpunkt her nicht gefallen. Diese Machtdemonstration hat auch intern zu Diskussionen geführt. Schlussendlich ist Sobotka aber ein guter Minister.
Sie werden wahrscheinlich nicht sagen, dass er ein schlechter Minister ist?
Sieber: (lacht) Ich war am Anfang nicht überzeugt, dass er akzeptabel ist. Als Landesrat hat er manchmal eine verwegene Rolle gespielt. Aber jetzt erlebe ich ihn als extrem kompetenten Minister.
Welcher ist eigentlich Ihr Lieblingsausschuss im Parlament?
Sieber: Ich bin zwar kein Mitglied im Landwirtschaftsausschuss, aber in jeder Sitzung.
Wie das?
Sieber: In der ÖVP ist das so. Jede Arbeitsgemeinschaft, also Wirtschaftsbund, ÖAAB, Bauernbund, hat seine Vertreter im Ausschuss. Im Landwirtschaftsausschuss ist naturgemäß ein großes Gedränge der Bauernbündler. Angelika Winzig sitzt für den Wirtschaftsbund drinnen. Sie wollte eigentlich nicht, ich bin ihr ständiger Vertreter.
Sie sitzen auch im Gleichstellungsausschuss. Haben Sie sich den ausgesucht?
Sieber: Den habe ich zugeteilt bekommen. Inzwischen habe ich im Klub den Ruf eines Frauenverstehers (lacht). Man bekommt bei vielen Dingen eine andere Sichtweise. Gleichstellungspolitik ist noch lange nicht am Ende.
Sollte jeder Mann einmal in diesem Ausschuss sitzen?
Sieber: Das wäre empfehlenswert. Vor allem bei der FPÖ, auch FPÖ-Frauen würde das guttun. Bei diesem Frauenbild muss ich manchmal schlucken.
Innerhalb der ÖVP gibt es auch sehr konservative Strömungen.
Sieber: Natürlich, das ist gut so. Ich würde mich auch nicht als den Liberalen in der ÖVP sehen, sondern als konservativen Menschen. Aber Entwicklungen verschließe ich mich nicht. Etwa dem Pensionssplitting, da sind wir Bauern Vorreiter. Wir haben das de facto schon.
Wie geht es Ihnen, wenn jemand Frauenwitze erzählt?
Sieber: Es darf den Boden des guten Geschmacks nicht verlassen. Nur weil ich im Gleichbehandlungsausschuss sitze, bin ich nicht zum militanten Feministen geworden.
Fehlt es in der Politik grundsätzlich an Humor?
Sieber: Ja, fürchterlich. Manches muss man einmal mit Augenzwinkern sehen. Nicht alles, die Themen sind sehr ernst. Aber ein bisschen Humor sollte schon dabei sein.
Word-Rap
SPÖ
+ sehr um Bundeshauptstadt bemüht
– kaum um Bundesländer bemüht
ÖVP
+ bei den Menschen
– nicht immer nah genug
FPÖ
+ stark in der Mobilisierung
– zu sehr auf das Negative fokussiert
Grüne
+ weltoffen
– manchmal zu träumerisch
Neos
+ sehr wirtschaftsliberal
– verkennen Bedürfnisse der Menschen
Team Stronach
+ dass Frank endgültig in Pension ist
– ihnen fehlt damit der Vordenker