Die Krise zeigt, wie wir sind
„So sind wir nicht. So ist Österreich nicht”. Diese beruhigenden Sätze von Bundespräsident Alexander Van der Bellen nach dem Auffliegen des Ibiza-Skandals werden wir nie vergessen – danke dafür, UHBP. Diese erbauliche Botschaft fürs Volk kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir manchmal schon so sind. Und die Corona-Ausnahmesituation derzeit zeigt gleichsam einem Verstärker, wie wir sind. Ein paar Beobachtungen über das österreichische Wesen in der Krise.
Kleinmütigkeit kann man jetzt ohne schlechtes Gewissen ausleben. Leider-Nicht-Burgenländerinnen und -Burgenländer, die am Neusiedler See spazieren wollen, vergesst es. Oder Leute aus der Stadt, die glauben, man kann am Zweitwohnsitz Freizeit verbringen, ohne von den Corona-Dorfexperten misstrauisch beäugt zu werden. Unser See, unsere Natur für unsere Leut – die FPÖ hätte eine Freude daran, wenn sie nicht gerade so unter der sehr hohen Zustimmung für die Regierungsparteien und ihren eigenen traurigen Umfragewerten leiden müsste.
Besserwisserei ohne Wissen geht immer. Erstaunlich, wie viele Virologen (und ein paar Virologinnen) in den vergangen Wochen ihren Schnellabschluss gemacht haben. Sie scheinen immer genau zu wissen, was falsch oder richtig läuft, welches Land man sich als Vorbild im Kampf gegen Corona nehmen muss, was wann zu tun wäre. Auch wenn wir erst in zwei oder drei Jahren wissenschaftlich belegt wissen können, welche Strategien sinnvoll waren – vielleicht hilft das gegenseitige Belehren manchen auch dabei, die Ungewissheit auszublenden.
Gehorsam, aber entspannt
Obrigkeitshörigkeit und Nonchalance sind Geschwister. Die Krisen-Bändiger rund um Sebastian Kurz und Werner Kogler geben in manchmal martialischer Sprache bei staatstragenden Pressekonferenzen den Kurs vor, auch wenn die Verordnungen dann oft doch liberaler sind als sie dargestellt werden. Viele halten sich trotz Murren daran, das Obrigkeitsdenken ist hierzulande ja ausgeprägt – im Osten stärker als im Westen. Die neuen Regeln legt man dann allerdings teilweise im Alltag entspannt aus. Wer sehen will, wie lässig man seine Nasen-Mund-Schutzmaske unter der Nase trägt, kann das in der derzeit nicht voll besetzten Wiener U-Bahn gut beobachten.
Vielleicht hilft das gegenseitige Belehren in Sachen Corona manchen auch dabei, die Ungewissheit auszublenden.
Ich bin mir selbst die Nächste, der Nächste. Natürlich haben alle Sorgen ihre Berechtigung: Jene der Menschen, die nicht wissen, wie es beruflich weitergeht; jene der Eltern, die zu Hause ihre Kinder unterrichten; jene der sogenannten „Risikogruppen“, die in der völligen Isolation warten müssen; jene der jungen Leute, die in Kürze ihre Matura ablegen müssen. Doch jede Gruppe versucht nun, vor allem auf ihre Probleme aufmerksam zu machen. Der Zusammenhalt, den wir jetzt bräuchten, wird immer brüchiger. Und die mit den leisen Stimmen kann man mit ihren Sorgen kaum mehr hören.
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